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F (German Edition)

F (German Edition)

Titel: F (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kehlmann
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Freiheit selbst.
    Weshalb die Üblen manchmal alles bekämen, sagt Kelling, und die Besten nichts. Man könne das Risikopotenzial der niedrigeren Level im Hypotheken-Pool nicht gut abschätzen, und –
    «Danke!» Ich stehe auf. Bis jetzt habe ich keine Miene verzogen, ich bin aufrecht sitzen geblieben und habe mir nichts anmerken lassen. Nun reicht es.
    «Eine Frage noch», ruft Schröter.
    Die Tür fällt hinter mir zu.
    Auf dem Weg zum Lift denke ich darüber nach, wie sich feststellen lässt, ob man richtig verstanden hat, was man gehört zu haben meint. Aber wenn ich jemanden befrage, könnte er lügen, und selbst eine Tonaufnahme lässt sich manipulieren.
    «Jetzt ist es passiert», sagt der Mann neben mir im Lift. «Jetzt geht es zu Ende.»
    Er hat einen Hut und hässliche Zähne. Ich habe ihn heute schon gesehen, aber ich weiß nicht mehr, wo. Er sieht mich nicht direkt an, sondern spricht zu meinem Spiegelbild an der Rückwand der Liftkabine, sodass wiederum nicht er, sondern sein Spiegelbild mich unverwandt ansieht. Außer uns stehen noch zwei Männer mit Aktentaschen da, doch sie blicken vor sich hin und kümmern sich nicht um uns.
    «Was haben Sie gesagt?», frage ich.
    «Nichts», sagt er.
    Ich wende mich ab.
    «Manchmal ist jeder Weg falsch», sagt er.
    Ich starre ihn an.
    «Die Wahrheit macht dich frei», sagt er. «Schön wär’s. Aber manchmal macht einen gar nichts mehr frei. Das Lügen nicht und auch nicht die Wahrheit.» Er rückt mit einer gezierten Bewegung seinen Hut zurecht. «Im Grunde gibt es dann auch keinen Unterschied mehr zwischen den beiden, Iwan.»
    «Bitte?»
    Er runzelt die Stirn.
    «Was haben Sie gerade gesagt?», frage ich. «Über Lüge und Wahrheit? Haben Sie mich Iwan genannt?»
    Jetzt sehen mich die beiden Männer mit den Aktentaschen besorgt an. Ja, so geht es, so bringen sie einen dazu, die Nerven zu verlieren. Und ehe man sichs versieht, packt man jemanden und schreit und schlägt zu, und schon können sie Maßnahmen ergreifen. Aber so leicht mache ich es ihnen nicht.
    «Entschuldigung», sage ich. «Ich habe mich verhört.»
    «Glaubst du wirklich?», fragt der Mann mit Hut.
    Der Aufzug hält, einer der Aktentaschenleute steigt aus, eine Frau in schwarzer Jacke kommt herein. Sie haben das gut vorbereitet, alles wirkt natürlich. Stundenlang könnte man zusehen, ohne Verdacht zu schöpfen.
    «Du hältst das nicht mehr lang durch», sagt er.
    Ich reagiere nicht.
    «Lauf nur. Siehst fein aus in deinem Anzug. Lauf, so weit du kannst. Siehst mitgenommen aus.»
    Ich reagiere nicht.
    «Du musst wissen, heute ist kein Tag wie alle. Manchmal wird es leichter für uns. Der Tod bringt uns näher heran.»
    Die Kabine hält, die Türen öffnen sich, ich gehe hinaus, ohne mich umzudrehen. Ich trete auf die Straße, die Hitze ist nicht mehr ganz so schlimm, bald wird es Abend sein. Knut sitzt im Auto, der Motor läuft. Wieso eigentlich? Habe ich ihm gesagt, er soll auf mich warten? Ich steige ein.
    «Eine Frage», sagt er.
    «Nicht jetzt.»
    «Kommunalobligationen. Soll man, soll man nicht, wie sieht das aus?»
    Wie kühl und still es im Wagen ist. Ein gutes Auto, sauber und vollgetankt, mit einem Chauffeur am Steuer, so etwas schenkt mehr Ruhe als die beste Religion.
    «Weil nämlich», sagt Knut. «Meine Tante. Gestorben. Üble Sache. Ich habe es Ihnen ja erzählt. Die Baustelle, der Kran.»
    «Ja, ich weiß.» Wie immer habe ich keine Ahnung.
    «Aber es war auch ihre Schuld. Sie hätte sich dort nicht verstecken müssen. Hat sie ja keiner gezwungen, oder?»
    «Nein.»
    «Jedenfalls, keiner von uns hätte gedacht, dass sie hunderttausend Euro hat. Haben wir nicht gewusst. Vor allem nicht nach der Sache mit dem Wirt und den Einbrechern. Und auch weil sie so geizig war immer. Nie etwas zu Weihnachten. Oder den Kindern. Also jetzt, was tun? Wir haben diesen alten Kerl nebenan, sein Sohn ist bei der Bank. Ich mag ihn ja nicht. Er mag mich auch nicht. Erst recht nicht seit der Geschichte mit seinem Hund. Er hat behauptet, das Vieh wäre nicht bei uns im Garten gewesen, aber ich habe zwei Zeugen. Also: Kommunalobligationen. Hat sein Sohn empfohlen. Mitznik.»
    «Was?»
    «So heißt der alte Kerl. Und er stottert! Kommunalobligationen. Mitznik heißt er. Also was jetzt, Chef, ist das gut? Kommunalobligationen?»
    «Ja, schon.»
    «Aber bringen die auch was?» Ohne erkennbaren Grund bremst er scharf, zum Glück bin ich angegurtet. Er hupt und fährt wieder an. «Ich will nämlich auch daran

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