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F (German Edition)

F (German Edition)

Titel: F (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kehlmann
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Archive treffen Sicherheitsvorkehrungen gegen Leute, die etwas stehlen wollen, aber niemand hindert einen daran, etwas hineinzuschmuggeln. In einem halben Jahr wird John Warsinskys Galerie Urlaubsfoto Nr. 9 zum Verkauf anbieten, aber nicht, bevor der Vorstand des Eulenböck-Trusts die wichtigsten Sammler darauf hingewiesen hat. Sie alle werden das Dossier studieren, um die Provenienz zu prüfen, dann wird der Eulenböck-Trust um eine Stellungnahme zur Echtheit gebeten werden. Jeder weiß, dass der Vorsitzende des Trusts auch der Verkäufer ist, aber das stört keinen, das gehört zum Spiel, und wen sollte es auch stören, denn keiner verliert dabei. Nach eingehender Prüfung wird der Trust dem Bild – einerseits seiner makellosen Provenienz wegen, das Gemälde ging aus Eulenböcks Besitz direkt in den seines Erben über, andererseits wegen seines unverwechselbaren Stils – das Siegel der Echtheit verleihen, was umso überzeugender ist, als der führende Eulenböck-Experte, also ich, das Bild schon vor Jahren als ein zu wenig bekanntes Hauptwerk bezeichnet hat.
    Dennoch bin ich vorsichtig. Zweimal habe ich Bildern, die ich selbst gemalt habe, die Bestätigung der Echtheit verweigert, ein andermal habe ich eine offensichtliche Fälschung von irgendeinem Stümper für echt erklärt. Ich gelte als eine schwierige und erratische Autorität. Die Sammler fürchten mich ebenso wie die Galeristen, oft empört man sich über die Unvorhersehbarkeit meiner Entscheidungen, und nicht selten werde ich als inkompetent verhöhnt. Niemand wird Verdacht schöpfen.
    Unten auf der Straße schiebt ein Mann einen Schubkarren voll Sand. Ihm entgegen kommen drei junge Männer mit Schirmmützen. Sie bleiben stehen und blicken dem Schubkarren nach, als wäre Sand etwas Interessantes, dann lehnen sie sich mit jener angespannten Lässigkeit, wie man sie jenseits der zwanzig schon nicht mehr hat, an die Mauer und zünden sich gegenseitig Zigaretten an. Zwei Autos fahren vorbei, ein einzelnes folgt, dann wieder zwei – gleichmäßige Intervalle, es könnten Morsezeichen sein. Was, wenn das Universum lesbar wäre? Vielleicht steckt ja das hinter der erschreckenden Schönheit der Dinge: Wir bemerken, dass etwas mit uns spricht. Wir kennen die Sprache. Und doch verstehen wir kein Wort.
    Wie schade, dass du mich nicht hörst, armer Heinrich. Menschen, die mit den Toten sprechen, behaupten gern, sie spürten, dass da jemand sei. Ich hatte dieses Gefühl nie. Sogar in dem unwahrscheinlichen Fall, dass du noch fortlebst, unsichtbar, frei von Gestalt und Last, sind dir unsere Angelegenheiten gleichgültig. Du stehst nicht neben mir an diesem Fenster, du blickst nicht über meine Schulter, und wenn ich mit dir rede, antwortest du nicht.
    Also warum spreche ich mit dir?
    Er verstand mich schon nicht mehr, als er noch am Leben war. Die letzten sechs Monate lag er fast nur noch im Bett, manchmal hatte er Wutanfälle ohne Grund, hin und wieder musste er leise lachen. Unterdessen malte ich Ein französischer Film wird gedreht, Großer Gerichtstag und Marktszene bei Barcelona . Zuweilen tauchte er hinter mir auf und sah zu. Die Marktszene interessierte ihn nicht: ein dramatischer Moment in einem Auktionshaus, das Publikum starrt gebannt zum Auktionator, der im Begriff ist, den Zuschlag für eine monochrom blaue Leinwand von Yves Klein zu erteilen. Über den Gerichtstag grinste er in sich hinein: eine zerknitterte Zeitungsseite, scheinbar herausgerissen aus dem Kunstteil der New York Times , realistisch abgebildet in allen Details, darauf rechts die hymnische Besprechung einer Billy-Joel-Biographie und links der Verriss eines Gedichtbandes von Joseph Brodsky. Nur Ein französischer Film wird gedreht machte ihn vor Freude glucksen: ein Altarbild, ganz unten die Beleuchter, Kabelträger und Statisten, eine Stufe höher ein Halbkreis von Kameraleuten, darüber die in Verehrung erstarrten Schauspieler und ganz oben, flankiert von zwei erzengelhaft wuchtigen Produzenten, der Regisseur mit seiner Sonnenbrille. Ich mochte es nie, schon bei der Arbeit daran fand ich es platt, und auch technisch war es ohne Reiz, viel zu nahe an der simplen Karikatur, aber es wurde sein beim breiten Publikum bekanntestes Bild – nicht zuletzt, weil der Regisseur wie Godard aussah. Warsinsky verkaufte es für eine Million, vier Jahre später kaufte ich es für eineinhalb Millionen zurück, um es unter der Hand für drei Millionen an einen turkmenischen Sammler zu verkaufen. Ich hoffe,

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