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Fabelheim: Roman (German Edition)

Fabelheim: Roman (German Edition)

Titel: Fabelheim: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Mull
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ihr Kolibris gesehen hättet, die Musik machen.«
    Kendra folgte Lena zurück ins Haus. »Früher gab es in Hörweite eine Kirche, die mit ihren Glocken Melodien spielte«, bemerkte Lena. »Es war so komisch, die Feen zu beobachten, wie sie die Musik nachahmten. Manchmal spielen sie diese alten Lieder immer noch.«
    Lena öffnete den Kühlschrank und nahm eine altmodische Milchflasche heraus. Kendra setzte sich an den Tisch. Lena goss etwas Milch in einen Topf auf dem Herd und begann die Zutaten hineinzumischen. Kendra fiel auf, dass sie nicht nur Schokoladenpulver hineinlöffelte, sondern den Inhalt aus verschiedenen Behältern zusammenrührte.
    »Opa hat gesagt, ich soll Sie nach der Geschichte über den Mann fragen, der das Bootshaus gebaut hat«, sagte Kendra.
    Lena hörte auf zu rühren. »Ach ja? Ich nehme an, ich weiß mehr über diese Geschichte als die meisten.« Sie rührte weiter. »Was hat er dir erzählt?«
    »Er hat gesagt, der Mann hätte eine Schwäche für die Najaden gehabt. Was ist eine Najade eigentlich?«
    »Eine Nixe. Was hat er sonst noch gesagt?«
    »Nur dass Sie die Geschichte kennen.«
    »Der Mann hieß Patton Burgess«, erwiderte Lena. »Er wurde im Jahr 1878 Verwalter dieses Besitzes, eine Position, die er von seinem Großvater mütterlicherseits geerbt hatte. Er war damals ein junger Mann, ziemlich gut aussehend, trug einen Schnurrbart – oben gibt es Bilder von ihm. Der See war sein Lieblingsplatz auf dem Besitz.«
    »Es ist auch mein Lieblingsplatz.«
    »Er ging dorthin und hat die Najaden stundenlang beobachtet. Und wie es so ihre Gewohnheit war, versuchten sie, ihn an den Rand des Wassers zu locken, um ihn zu ertränken. Er kam auch näher und tat manchmal so, als wolle er hineinspringen, blieb aber sehr zum Leidwesen der Nixen stets außer Reichweite.«
    Lena kostete von der heißen Schokolade und rührte noch ein wenig weiter. »Im Gegensatz zu den meisten Besuchern, für die die Najaden austauschbar zu sein schienen, interessierte er sich besonders für eine Nixe und rief sie bei ihrem Namen. Den anderen Najaden schenkte er kaum noch Beachtung. An den Tagen, an denen seine Favoritin sich nicht zeigte, ging er früh wieder weg.«
    Lena goss die Milch aus dem Topf in zwei Tassen. »Er widmete ihr seine ganze Aufmerksamkeit. Als er das Bootshaus baute, fragten die Nymphen sich, was er da wohl tat. Er konstruierte ein breites, stabiles Ruderboot, mit dem er aufs Wasser hinausrudern und dem Objekt seiner Faszination
näher sein konnte.« Lena brachte die Tassen an den Tisch und setzte sich. »Die Najaden versuchten, sein Boot umzukippen, wann immer er hinausruderte, aber es war zu raffiniert gebaut. Es gelang ihnen nur, es ein bisschen herumzuschieben.«
    Kendra nippte an ihrem Becher. Die heiße Schokolade war perfekt. Kaum kühl genug, um davon zu trinken.
    »Patton versuchte schließlich, seine Lieblingsnajade dazu zu überreden, das Wasser zu verlassen und mit ihm an Land zu kommen. Und sie sagte, er sollte doch zu ihr in den See kommen, denn sobald sie das Wasser verließ, würde sie sterblich werden. Das Tauziehen erstreckte sich über mehr als drei Jahre. Er brachte ihr auf seiner Geige Ständchen und las ihr Gedichte vor, er erzählte ihr, welche Freuden in ihrem gemeinsamen Leben auf sie warten würden. Er legte solche Aufrichtigkeit und solche Ausdauer an den Tag, dass sie gelegentlich in seine gütigen Augen blickte und ins Zweifeln geriet.«
    Lena nippte an der heißen Schokolade. »Eines Tages im März wurde Patton unvorsichtig. Er lehnte sich zu weit über den Rand des Bootes, und eine andere Najade bekam seinen Ärmel zu fassen, während er mit seiner Angebeteten sprach. Er war ein starker Mann und leistete ihr Widerstand, aber durch den Kampf wurde er auf eine Seite des Bootes gezogen, das dadurch ins Wanken geriet. Zwei Najaden stemmten die andere Seite hoch, und das Boot kenterte.«
    »Er ist gestorben?« Kendra war entsetzt.
    »Er wäre gestorben, ja. Die Najaden hatten ihre Beute. In ihrem Reich war er ihnen nicht gewachsen. Voll Euphorie über den langersehnten Sieg, zogen sie ihn auf den Grund des Sees, um ihn der Sammlung ihrer sterblichen Opfer hinzuzufügen. Aber das war mehr, als seine Auserwählte
ertragen konnte. Sie hatte eine Zuneigung zu Patton entwickelt, verführt von seiner unablässigen Aufmerksamkeit, und im Gegensatz zu den anderen bereitete sein Tod ihr kein Vergnügen. Sie verscheuchte ihre Schwestern und brachte ihn wieder ans Ufer. Das war der

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