Fabelheim: Roman (German Edition)
Höhleneingang. Nero streckte sich darauf aus, und Oma zeigte Kendra und Seth, wie man Beine und Füße massiert. Sie demonstrierte auch, wie und wo sie ihre Knöchel und die Handballen benutzen mussten.
»Er ist sehr stark«, sagte sie, während sie die Unterseite seines Fußes knetete. »Lehnt euch mit so viel Gewicht auf ihn, wie ihr wollt.« Sie legte sein Bein ab und trat neben seinen Kopf. »Die Kinder haben ihre Anweisungen, Nero. Die Massage beginnt.«
Kendra legte zögernd die Hände auf die muskelbepackte Wade des Trolls. Obwohl sie nicht nass waren, fühlten die Schuppen sich schleimig an. Sie hatte schon einmal eine Schlange in der Hand gehalten, und die Beschaffenheit von Neros schuppiger Haut war ganz ähnlich.
Während Nero der Länge nach ausgestreckt dalag, machte Oma sich daran, seinen Nacken und die Schultern zu bearbeiten. Sie presste und knetete und rieb auf verschiedenste Art und Weise – mit den Daumen, mit den Handflächen, mit der Faust und sogar mit den Ellbogen. Schließlich kniete sie auf seinem Rücken, wobei sie sorgsam den Stacheln entlang seiner Wirbelsäule auswich.
Nero war offenkundig in Ekstase. Er schnurrte und stöhnte vor Verzückung. Von seinen Lippen floss ein stetiger Strom schläfriger Worte der Begeisterung. Träge forderte er sie auf, fester zu massieren.
Kendra wurde langsam müde, und Oma zeigte ihr und Seth immer wieder andere Techniken. Vor Neros Füßen graute es Kendra am meisten, vor den rauen, rissigen Fersen,
den schwammigen Schwielenpolstern und seinen knotigen Fußballen. Aber sie tat ihr Bestes, Omas unermüdlichem Beispiel zu folgen. Oma half ihnen bei den Beinen und Füßen und machte sich zwischendurch an seinem Kopf und seinem Hals zu schaffen, an den Schultern, dem Rücken, den Armen, den Händen, der Brust und dem Becken.
Als sie endlich fertig waren, richtete Nero sich mit einem euphorischen Lächeln auf. Alle Verschlagenheit war aus seinen Glupschaugen gewichen. Er sah so aus, als sei er bereit für das erholsamste Nickerchen seines Lebens.
»Fast hundert Minuten«, erklärte Oma. »Aber ich wollte anständige Arbeit leisten.«
»Danke«, sagte Nero schläfrig. »So etwas hätte ich mir nie träumen lassen.« Er stand auf und musste sich an die Felswand lehnen, um nicht umzufallen. »Du hast dir deine Belohnung redlich verdient.«
»Ich habe noch nie jemanden mit so vielen Knoten und Verspannungen gesehen«, bemerkte Oma.
»Aber jetzt fühle ich mich ganz locker«, antwortete der Troll und ließ die Arme baumeln. »Ich werde gleich mit der Information zurück sein, die du erbeten hast.« Nero verschwand in der Höhle.
»Ich möchte seinen magischen Stein sehen«, murmelte Seth.
»Du wartest hier«, wies Oma ihn zurecht und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Du musst vollkommen erschöpft sein«, sagte Kendra.
»Ich bin im Moment nicht besonders fit«, gab Oma zu. »Diese Massage hat mich eine Menge Kraft gekostet.« Sie senkte die Stimme. »Aber auf jeden Fall besser als Fässer voller Schätze, die wir nicht haben.«
Seth schlenderte zum Rand des Felsvorsprungs hinüber und starrte in die Schlucht hinab. Oma setzte sich auf das Sims, auf dem sie den Troll massiert hatten, und Kendra wartete neben ihr.
Es dauerte nicht lange, bis Nero wieder auftauchte. Er wirkte immer noch umgänglich und entspannt, wenn auch nicht mehr ganz so entrückt wie zuvor. »Stan ist im Keller der Vergessenen Kapelle angekettet.«
Oma biss sich auf die Unterlippe. »Bist du dir sicher?«
»Es war nicht ganz einfach, ihn zu finden und genau genug hinzusehen, wenn man bedenkt, wer außer ihm noch dort ist, aber ja, ich bin mir sicher.«
»Geht es ihm gut?«
»Er lebt.«
»War Lena bei ihm?«
»Die Najade? Klar, die habe ich auch gesehen.«
»War Muriel in der Nähe?«
»Muriel? Warum sollte sie... Oh, das war es also! Ruth, die Vereinbarung galt für eine einzige Information. Aber, nein, ich habe sie nirgends gesehen. Ich glaube, damit ist unser Tauschgeschäft abgeschlossen.« Er deutete auf die Leiter. »Wenn ihr mich entschuldigen würdet, ich muss mich hinlegen.«
KAPITEL 15
Das andere Ende des Dachbodens
O ma weigerte sich zu reden, während sie durch die Schlucht zurückgingen. Sie trug eine griesgrämige, nachdenkliche Miene zur Schau und verbat sich jedweden Versuch, ein Gespräch in Gang zu bringen. Kendra wartete, bis sie wieder bei der überdachten Brücke waren, bis sie es erneut versuchte.
»Oma ...«, begann Kendra.
»Nicht
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