Fabelheim: Roman (German Edition)
ein Auge. »Nun gut, ich habe noch nie eine Massage bekommen. Ich könnte viele Dinge benennen, die ich noch nie getan habe, zumeist deshalb, weil ich kein Interesse daran habe, sie zu tun. Ich habe menschliches Essen gekostet und es für unzureichend befunden. Ich bin nicht davon überzeugt, dass ich eine Massage als so befriedigend empfinden werde, wie du es beschreibst.«
Oma musterte den Troll. »Drei Minuten. Ich werde dir eine dreiminütige Kostprobe geben. Das wird dir nur einen kleinen Vorgeschmack auf die unaussprechliche Wonne geben, die dich erwartet, aber es sollte dich in die Lage versetzen, eine angemessene Entscheidung zu treffen.«
»Also schön. Eine Demonstration kann nicht schaden.«
»Gib mir deine Hand.«
»Meine Hand?«
»Ich werde dir eine Hand massieren. Du wirst deine Fantasie benutzen müssen, um dir vorzustellen, wie sich das auf deinem ganzen Körper anfühlen würde.«
Er streckte eine Hand aus. Oma Sørensen nahm sie und begann mit ihren Daumen seine Handfläche zu kneten. Zuerst versuchte er, eine ungerührte Miene zu machen, aber schon bald begann sein Mund zu zucken, und seine Augen verdrehten sich. »Wie fühlt sich das an?«, fragte Oma. »Zu fest?«
Seine dünnen Lippen bebten. »Genau richtig«, schnurrte er.
Oma fuhr fort, seine Handfläche zu bearbeiten, und er begann zwanghaft seine Augen zu lecken. An seinen Fingern schloss sie die Massage ab. »Die Demonstration ist zu Ende«, verkündete sie.
»Dreißig Minuten davon sagst du, auf meinem ganzen Körper?«
»Die Kinder werden mir helfen«, erwiderte Oma. »Wir werden eine Dienstleistung gegen eine Dienstleistung eintauschen.«
»Aber ich könnte meinen Dienst für etwas Dauerhafteres eintauschen! Für einen Schatz! Eine einzige Massage ist viel zu flüchtig.«
»Das Gesetz des verminderten Ertrags gilt für Massagen ebenso wie für die meisten anderen Dinge. Die erste ist die beste und alles, was du im Grunde brauchst. Außerdem kannst du deine Dienste jederzeit für einen Schatz geben. Dies könnte deine einzige Chance sein, in den Genuss einer professionellen Massage zu kommen.«
Er streckte die andere Hand aus. »Noch eine weitere Demonstration, um mir bei meiner Entscheidung zu helfen.«
»Keine Kostproben mehr.«
»Du bietest nur eine einzige Massage an? Wie wäre es, wenn du für zwölf Jahre als meine persönliche Masseuse hierbleiben würdest?«
Omas Miene wurde streng. »Ich bitte dich nicht, für viele Fragen viele Male in deinen Stein zu blicken. Ich verlange nur eine einzige Information. Ein Dienst für einen Dienst. Das ist mein Angebot, und es ist zu deinen Gunsten. Die Massage dauert dreißig Minuten, während du nur wenige Augenblicke brauchst, um deinen Stein zu befragen.«
»Aber du brauchst die Information«, rief Nero ihr ins Gedächtnis. »Ich brauche keine Massage.«
»Die Befriedigung von Bedürfnissen ist die Last der Armen. Die Wohlhabenden und Mächtigen können es sich leisten, ihren Launen und Wünschen nachzugeben. Wenn du diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen lässt, wirst du dich immer fragen, was du versäumt hast.«
»Tu es nicht, Oma«, sagte Kendra. »Gib ihm einfach den Schatz.«
Nero hob einen Finger. »Dieser Vorschlag ist unkonventionell und gegen mein besseres Wissen, aber der Gedanke an eine Massage fasziniert mich, und ich bin selten fasziniert. Allerdings sind dreißig Minuten zu kurz. Sagen wir... zwei Stunden.«
»Sechzig Minuten«, erklärte Oma entschieden.
»Neunzig«, konterte Nero.
Oma rang die Hände. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, ließ sie wieder sinken und verschränkte sie abermals. Sie rieb sich die Stirn.
»Neunzig Minuten sind zu lang«, sagte Kendra. »Selbst Opa hat nie mehr als eine einstündige Massage bekommen!«
»Halt den Mund, Kind«, blaffte Oma.
»Neunzig Minuten oder wir kommen nicht ins Geschäft«, erklärte Nero.
Oma seufzte resigniert. »Na schön... neunzig Minuten.«
»Sehr gut, ich nehme das Angebot an. Aber wenn mir nicht die ganze Massage gefällt, ist das Geschäft geplatzt.«
Oma schüttelte den Kopf. »Keine Hintertürchen. Eine einzige Neunzig-Minuten-Massage im Gegenzug für den Aufenthaltsort von Stan Sørensen. Du wirst die Erinnerung daran bis ans Ende deiner Tage wie einen Schatz hüten.«
Nero beäugte Kendra und Seth, bevor er Oma mit einem durchtriebenen Blick ansah. »Einverstanden. Wie gehen wir jetzt vor?«
Die beste Liege, die Oma finden konnte, war ein ziemlich schmales Felssims neben dem
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