Fabelheim: Roman (German Edition)
dar, die er nur verlangen mochte, und dennoch lebten sie in Furcht. Schließlich boten ein paar Europäer an, den Dämon zu stürzen, wenn sie dafür das bisher von ihm heimgesuchte Land erhielten, und die Anführer der Ureinwohner erklärten sich einverstanden. Mit der Hilfe von mächtigen Verbündeten und kraftvoller Magie gelang es den Europäern, den Dämon zu bezwingen und einzukerkern. Einige Jahre später gründeten sie Fabelheim auf dem Land, das sie Bahumat abgerungen hatten. Jahre verstrichen. Anfang des neunzehnten Jahrhunderts hatte sich auf diesem Land eine Gemeinschaft gebildet, die größtenteils aus einem einzigen Familienclan bestand. Sie errichteten rund um das ursprüngliche Herrenhaus eine Anzahl weiterer, kleinerer Häuser. Damals gab es dieses Haus und Violas große Scheune noch nicht. Das alte Herrenhaus
steht noch, tief in diesem Besitz verborgen, aber die meisten der kleineren Bauten sind dem Zahn der Zeit und den Elementen zum Opfer gefallen. Nur ein weiteres Bauwerk aus dieser Epoche hat hier die Zeiten überdauert – eine Kirche. Im Jahr 1826 wäre Bahumat dank menschlicher Unfähigkeit und Torheit beinahe entkommen, und um ein Haar hätte es eine Katastrophe gegeben, denn keiner von denen, die in diesem Reservat verblieben waren, besaß die Mittel oder die Kenntnisse, mit einem Wesen von seiner Macht fertigzuwerden. Obwohl Bahumats Ausbruch verhindert werden konnte, war der Vorfall für die meisten, die hier lebten, zu beunruhigend, und der größte Teil der Menschen verließ das Land. Außerdem war das Gefängnis des Dämons beschädigt, und Bahumat wurde mit Hilfe von außen in ein neues Verlies im Keller der Kirche verlegt. Einige Monate danach wurden die Gottesdienste dort eingestellt, und seither hat sich für die Kirche der Name ›Vergessene Kapelle‹ eingebürgert.«
»Also ist Bahumat noch dort?«, fragte Kendra nach.
»Glaub mir, wir hätten es gemerkt, wenn Bahumat befreit worden wäre. Ich bezweifle, dass irgendjemand auf der Welt dieses Ungeheuer wieder einfangen kann, sollte er sich tatsächlich befreien. Seinesgleichen ist schon zu lange von der Bildfläche verschwunden, eingekerkert oder vernichtet. Jene, die wussten, wie man einen solchen Feind besiegt, sind tot, und niemand ist an ihre Stelle getreten – was mich zu meiner größten Sorge bringt: Dass Muriel versuchen könnte, Bahumat zu befreien.«
»Würde sie etwas so Dummes tun?«, rief Seth.
»Muriel ist eine Adeptin des Bösen. Sie wurde eingekerkert, weil sie sich mit diesen Dingen beschäftigt hat. Wenn sie die Vergessene Kapelle vor uns erreicht, was durchaus bereits geschehen sein könnte, falls ihre Kobolde
sie über die Situation in Kenntnis gesetzt haben, werden wir sie ausschalten müssen, um euren Großvater zu retten. Wenn es ihr gelingt, Bahumat zu befreien, sind wir alle auf Rettung angewiesen. Und deshalb muss ich unverzüglich versuchen, sie aufzuhalten.«
»Nicht nur du«, sagte Seth.
»Hugo und ich werden das übernehmen. Ihr habt bereits genug getan.«
»Was?«, rief Seth. »Auf keinen Fall!«
»Es sollte nicht allzu schwierig sein, euren Großvater zu retten. Aber wenn es zum Schlimmsten kommt und ich scheitere, könnte Fabelheim fallen. Bahumat hat dem Vertrag, der dieses Reservat schützt, nie zugestimmt. Keiner von Seinesgleichen hat das getan. Er erhebt Anspruch auf dieses Land und verfügt über ausreichende Macht, um sich über den Vertrag hinwegzusetzen und das Reservat in eine endlose Dunkelheit zu stürzen. Jeder Tag würde so werden wie diese schrecklichen Festnächte, und niemand würde mehr hier leben können – außer den Mächten der Finsternis. Jeder Sterbliche, der hier gefangen wäre, würde Greueln zum Opfer fallen, die zu schrecklich sind, um sie sich auszumalen.«
»Könnte das wirklich geschehen?«, fragte Kendra leise.
»Es wäre nicht das erste Mal«, antwortete Oma. »Seit dem Tag ihrer Gründung sind immer wieder Reservate gefallen. Die Gründe sind mannigfaltig, und meistens rühren sie von menschlicher Torheit. Einige Reservate wurden zurückerobert. Andere waren nicht mehr zu retten. Im Moment gibt es auf der Welt mindestens dreißig gefallene Reservate. Aber am beunruhigendsten sind vielleicht die jüngsten Gerüchte über die Gesellschaft des Abendsterns.«
»Maddox hat uns davon erzählt«, meinte Seth.
»Opa hat einen Brief bekommen, in dem er gewarnt wurde, auf der Hut zu sein«, fügte Kendra hinzu.
»Der Fall eines Reservats war immer ein
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