Fado Alexandrino
Militäroperationen begonnen, die den Sturz der augenblicklichen Regierung und deren sofortige Ablösung durch ein den legitimen Wünschen der Portugiesen entsprechendes Regime zum Ziel haben. (Immer das gleiche Gerede, meinte der Oberstleutnant befremdet zu mir, immer dieselben beschissenen Sätze, jetzt reden schon die Soldaten wie Politiker.) Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß, noch bevor der Abend anbricht, die Diktatur des Marcelo Caetano zu Ende ist.
– Und was für eine Diktatur folgt dann, nun geben Sie’s schon zu? quiekte, mit dem Rosenkranz schlenkernd, der Kaplan. Der atheistische Kommunismus?
Im Stuhl versunken, in einer algenartigen, schmachtenden Benommenheit, die seine Knochen in einen nicht abreißenden Blasenstrom verwandelte, spähte der Oberstleutnant aus dem Fenster zur mittlerweile energischen Morgensonne auf den abgeschürften Gebäuden der Kaserne, die jetzt kein Geheimnis mehr besaßen, auf die erschöpften Tagbäume, die keine Schatten mehr hatten und in dem Übermaß an Licht mitleiderregend mit den Armen wedelten, auf die kleine, verlassene Krankenstation, die, weit offenstehend, die Rachenmandeln der Betten zeigte: Wahrscheinlich werden sogar die Kranken draußen herumrennen und Ministerien
besetzen, Abgeordnete festnehmen, Zivilgouverneure erschießen. Seine Mutter, dekolletiert in Schwarz, die den kohlschwarzen, fatalen abschätzenden Blick von einem der verblüfften Offiziere zum anderen wandern ließ, tippte einem der Majore auf die Schulter und wies mit dem Fächer bitter auf ihn:
– Gleich nachdem er geboren war, spürte ich, daß aus ihm nie was werden würde.
Hauptmann Mendes schwankte auf seinen endlosen, dünnen Tarantelbeinen, zog das Thermometergewehr aus der Achsel: Wieviel Grad mag das anzeigen, dachte der Oberstleutnant in seinem schläfrigen Nebel, wieviel Kriegsfieber hat der Kerl wohl? Er wirkte nicht vollkommen selbstsicher, suchte mit ängstlichen Pupillen einen Gegenstand, mit dem er herumspielen, den er anfassen konnte, eine lächerliche Krücke für die eigene Schüchternheit, die eigene Überraschung darüber, ein Revolutionär, ein Verschwörer, ein Aufständischer zu sein. Ein vierschrötiger Kerl ohne Litzen, unrasiert, in der Uniform der Luftwaffe, stellte sich mit grimmigen Händen hinter dem Rücken neben Hauptmann Mendes und ließ ein schnelles, eiliges, von Schlaflosigkeit verwüstetes Gesicht über die Anwesenden gleiten:
– Alle Einheiten und praktisch alle Offiziere haben sich der Bewegung angeschlossen, erklärte er mit einer angewiderten Grimasse, die ihm die angespannten Augenlider über den Augen lila färbte, die Herren hier sind einige der wenigen Ausnahmen, von denen wir Kenntnis haben. Aus reiner Vorsicht, ich wiederhole, aus reiner Vorsicht (er sprach die Silben aus, als täten ihm alle Zähne im Mund weh) sind wir gezwungen, Sie bis zum Ende der zur Zeit laufenden Operationen hier festzuhalten. Sobald diese beendet sind, wird man Sie über Ihr Schicksal informieren, über das Fall für Fall sorgfältig entschieden werden wird. Das Kommando des Regiments wurde provisorisch Hauptmann Mendes übertragen.
– Sagen Sie mir bitte eines, fragte der Kaplan mit gezücktem Rosenkranz in Märtyrerattitüde. Sind Sie Bolschewik?
– Und das alles, verstehen Sie, erklärte mir der Oberstleutnant, während er eine der dicken Frauen des Nachtclubs wegschob, die nicht davon abließ, sich ihm an den Hals zu hängen, ihm aus dem dicken Flaschenhals ihres Mundes beharrlich unverständliche Zärtlichkeiten zuzuknurren, die Kriegerischen und die nicht Kriegerischen, die Kerkermeister und die Gefangenen, und noch mehr als das, die idiotische Atmosphäre, in der wir lebten, kam mir wie eine lächerliche Fiktion vor, wie eine Szene aus einem Kasperletheater, eine totale Farce, eine Idiotie im Quadrat, in Kubikmetern, hoch zehn, der mit ein bißchen Disziplin und Vernunft seitens des Ministeriums im Handumdrehen ein Ende bereitet werden könnte.
– Bolschewik? murmelte der Vierschrötige von der Luftwaffe mit zusammengekniffenen Augenbrauen verwirrt. Bolschewik, was ist das?
Und er stellte sich kaputte, dreckige, magere Arbeiter vor, zweifellos Opfer des Estado Novo, mit eingefallenen Gesichtern und schmutzigen Nägeln, wie sie die Internationale in winzigen, einfachen Räumen anstimmten, die von Zigarettenrauch und Emotionen brannten, Gewürm in Lumpen, von Krankheiten zerfressen, das humpelnd die Slums verließ, um zwischen Jubelgemaunze die
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