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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Teppiche, Ordonnanzen, Aufruhr, Warten Sie einen Augenblick, Sie werden gleich empfangen. Er setzte sich auf einen unbequemen Stuhl und sah besorgter Geschäftigkeit von Unteroffizieren zu, nach einer halben Stunde winkte ihm ein Oberleutnant von fern, Kommen Sie bitte, wies auf eine Holzbank in einem Vorzimmer mit endlos hohen Wänden und Stuckrosetten in den Ecken, der Herr Oberst Ricardo bittet den Herrn Oberstleutnant, die Güte zu haben, fünf Minuten zu warten, und er völlig überrascht, Oberst Ricardo?, doch der andere war bereits, ein Bündel Papier gezückt, in einem verborgenen Türchen hinter einem mausgrauen Vorhang verschwunden. Und noch mehr Unteroffziere und noch mehr Leutnants und noch mehr Gefreite, die in banger Hast hierhin und dorthin trabten (Das Kaninchen aus Alice im Wunderland, dachte ich, zehnfach, fünfzigfach, hundertfach, wie es, mit dem Schwanz wackelnd, auf die Uhr blickend, besorgt herumrannte), ein General kam wie der
Verrückte Hutmacher hinter einem grünen Vorhang hervor, ein Brigadegeneral verlor sich in der Kurve eines Bogens (ein Bube aus dem Kartenspiel vom Ende des Buches), Stimmen erhoben sich und senkten sich wieder, Telefone, männliche Stiefel auf dem steinernen Boden, der mausfarbene Vorhang bewegte sich zur Seite, wieder die Hand und das Frettchengesicht des Oberleutnants und dann das Mondgesicht von Oberst Ricardo mit der sommersprossigen Glatze, gespalten von einem riesigen Lächeln, Mir hat niemand gesagt, daß du da bist, Mann, komm her, nun mach schon, komm rein.
    – Hallo, wie geht’s, sagte Dália zum Funker. Caxias hat dir gutgetan, du bist dicker geworden, das sind doch miese Gerüchte, daß die Pide die Leute schlecht behandelt. (Und er schloß die Augen und erinnerte sich an Caxias, an Peniche wie an einen Traum, an das Geräusch des Meeres, wie raschelnde Wäsche, in der Dunkelheit der Nacht dort unten, wo es den Sand mit den beharrlichen weichen Zähnen der Gischt zernagte, an die Lichter ganz in der Ferne, an die Schiffe, an das schwarze Glitzern des Wassers. Er erinnerte sich weder an die Zellen noch an die Flure, noch an die Wärter, noch an die Mitgefangenen, noch an die mörderischen, ausdruckslosen, winzigen Oktopusäuglein der grausamen Typen bei den Verhören, die sich herunterbeugten und ihn schlugen. Er erinnerte sich an das Geräusch der Wellen, das Klagen der Wellen, den eher geahnten denn gespürten Geruch der Wellen, an die weißen Vögel des Morgens und die braunen Vögel des Abends, die sich auf den Abhängen niederließen, daran, wie die Wolken sich orange angehaucht, träge wie eine schlafende Frau reckten, er erinnerte sich an das Meer von Caxias, an das Meer von Peniche, daran, wie er im Morgengrauen mit einem feuchten Geschmack im Mund aufwachte, einem Geschmack nach nassem Segeltuch, nach rostigen Brettern, nach Strandgut, das sich salzig im Mund einrollte. Ja, antwortete er Dália, während die weißen Vögel, die braunen Vögel alle zugleich, lautlos in seinem Schädel aufflogen, steil zur Sonne hinauf, ich bin dicker geworden, es hat mir gutgetan,
das waren herrliche Ferien, die Sache mit der Revolution war wirklich ärgerlich, findest du nicht?)
    Oberst Ricardo, der immer noch lächelte, klopfte ihm freundschaftlich, väterlich auf die Schultern, setzte sich an einen endlosen, majestätischen Schreibtisch (Der Schreibtisch eines Ministers, dachte der Oberstleutnant, der Schreibtisch eines Kaisers, mit Schnörkeln und polierter Platte, mit zwei Telefonen, einem sich bäumenden Pferd aus Bronze, einer ledergerahmten Schreibunterlage, einer Lampe mit Pergamentschirm auf einer Ecke) und legte die Fingerspitzen mit klerikaler Langsamkeit zusammen. Füllhörner ergossen sich barock von der Decke, ein magerer, blasser Himmel trübte die riesigen Fenster:
    – Ich hoffe, du hast das Gespräch, was wir am Tag des Sturzes des Faschismus hatten, nicht ernst genommen, erklärte er, während er hochinteressiert den runden Glanz seines Eheringes betrachtete. Es war ja klar, daß ich deine demokratischen Gefühle auf die Probe stellen wollte.
    (So viele Vögel, wunderte sich der Funker, ich steige die Treppe zur Wohnung hinauf, und da sind sie und krächzen, schlagen auf den Felsen mit den Flügeln, säubern die Federn mit dem Schnabel, bewegen sich von Stein zu Stein hüpfend auf ihren Herbstzweigfüßen vorwärts, spähen hungrig die Ebbekrebse aus. Ich öffne den Kleiderschrank, und ein Schwarm Möwen löst sich aus den Jackentaschen, fällt

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