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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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denken, wenn sie uns sehen?
    Ich, beispielsweise, bin meine Mutter, dachte er, eine lächerliche Alte voller Gaze, Parfüms, Make-up und Cremes, die ihre falschen Nylonwimpern wie Insektenflügel flattern läßt, in der Hoffnung auf einen kleinen Rabatt bei der Korbflasche Wein unsicher versucht, den Krämer zu betören, denn am Ende meines Lebens, mein Sohn, habe ich mich aufs Trinken verlegt, denn ich setze mich für die Fernsehserie mit einem Tablett mit gefüllten Gläsern vor den Fernseher und sauge sie eins nach dem anderen leer, wie Kinder ihre Brause durch einen Strohhalm, bis die Bilder auf dem Schirm sich mit meinem heutigen Leben, mit meinem vergangenen Leben vermischen, mit der Freundin vom Stockwerk über mir, die wie eine kranke Eidechse um ihren Spazierstock gewickelt ist und mir hin und wieder ein Päckchen wurmstichiger Kekse und das fragende Brüllen ihrer Taubheit bringt, mit meinem Liebhaber, dem Ingenieur, mit meinem Liebhaber, dem Architekten, mit meinem Liebhaber, dem Industriellen, mit meinem Liebhaber, dem Arzt, mit meinen gutgekleideten, gutfrisierten, feierlichen, höchst wohlerzogenen Liebhabern, die das Grammophon aufzogen, mir Brillantarmbänder schenkten, mir das Roastbeef vom Abendessen zerlegten, mir die Hinterbacken abtasteten und mich in der Dunkelheit des Zimmers auf dem Bett keuchend entkleideten, mir mit drängender Eile die Träger herunterzogen, Männer, die erschöpft auf dem Fahrradsattel meiner Scham zur stockenden, enttäuschenden Stelle des Orgasmus strampelten,
Männer, die mir die Bettücher mit ihrem faden, traurigen Säftchen befleckten, und, Ja, Liebling, und, Aberja doch, Liebling, und, Wie du willst, Liebling, Ich bin meine Mutter, dachte der Oberstleutnant, ich schicke mich zum Haarekämmen und Zähneputzen, bevor ich winzig mit Krawatte und Lackschühchen in den Salon trete, Onkel Borges oder Onkel Rodrigues oder Onkel Mendes begrüße, bevor ich ihren widerlichen Brillantinegeruch spüre, den Geruch nach Talkumpuder, den Geruch nach Geld, bevor ich ihre ekligen weichen Finger an meinem Hals spüre, oder meine Mutter im Altersheim in der Rua Almirante Reis im elenden dritten Stock über der Konditorei und dem Notar, zerzaust, stumm, in Nachthemd und Pantoffeln in Erwartung des Todes neben dem kaputten Radio mit einer gestreiften Decke auf den Knien.
    – Acht Huren, brummelte er, und sein Kopf war dabei voll von reglosen Achtzigjährigen, die ihre mineralischen Pupillen in die Wand vor ihnen spießten, das ist schlimmer als ein Bataillon Nachtwächter mit schlechtem Mundgeruch.
    Oberst Ricardo hatte ihm versprochen, Du hältst dich ein paar Monate im Ministerium, bis die revolutionäre Brünstigkeit der kleinen Hauptleute sich etwas gelegt hat (und außerdem ist es sogar gut, wenn sie dich vergessen, und außerdem ist es sogar gut, daß sie nicht einmal wissen, daß es dich gibt), das heißt, im Augenblick müssen wir diese Jungs auf Händen tragen, Aber am Ende, klagte er, bin ich in einem engen Kabuff hinter dem Schreibtisch bis zum Staatsstreich vom 25. November vergammelt, habe Akten durchforstet, Notizen gemacht, Memoranden verfaßt, Generälen und Brigadegenerälen und Majoren das Leben versaut, kaum hatte ich einen Bericht eingereicht, da bekam ich einen Haufen Karteikarten, Mappen über Mappen stapelten sich auf dem Tisch, und Oberst Ricardo, ungeduldig voll demokratischem Fieber, Du bist ziemlich sanft, du bist ziemlich weich, was ist aus deiner Energie geworden, Mann? was ist aus deiner Fähigkeit geworden, Probleme zu lösen, Mann?, der Regen auf dem Dach schien direkt auf das Wellblech seines Kopfes zu fallen, der
Sommer zerschmolz seine Muskeln zu einem Fettbrei, die Unteroffiziere, die Papiere brachten und Papiere abholten, sahen ihn voller Sarkasmus, voller Verachtung, voller Mitleid an, Ich bin nicht meine Mutter, verdammt, ich bin nicht einmal fähig, für ein anständiges Büro zu kämpfen, die falschen Wimpern lösen sich von meinen Augenlidern, meine knochigen Hüften ziehen niemanden an, welches Auto mit Chauffeur erwartet mich vor der Tür, welcher Krämer wird für mich eines Tages eine Korbflasche Rotwein anschreiben?
    – Ich bin gekommen, um Ihnen mitzuteilen, erklärte ihm die Tochter, während sie im Vorraum den Mantel auszog, daß ich mich von meinem Mann scheiden lasse. Da Sie ihn sowieso nie riechen konnten, nehme ich an, daß Sie diese Nachricht glücklich macht.
    – Hier wird kaum einer wegsaniert, wir eiern hier in den

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