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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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ablaufende Wasser zur Mündung hin neigte, du redetest mit mir, doch kein Ton gelangte an meine Ohren außer dem kraftlosen Klicken der Wasserzungen am Rumpf, am Kiel und an den Rippen der Schiffe, dein Mund schmeckte nach Möwenkot, in den Muscheln deiner Ohren hörte man den Fluß, der Vortagesbart deines Vaters wuchs wie Grünalgen an den Felsen, Fahrräder strampelten die Straße hinauf und hinunter wie zittrige Schatten, wie merkwürdige Flecken, die, sich kräuselnd, über den sandigen Grund der Seen wandern, es wurde dunkel, und die Stadt lag schief wie ein Deck, die Häuser lösten sich auf, die Fabriken wichen zurück, die Albatrosse schliefen auf dem hängenden Regenzweig einer Wolke
ein, Hunderte Glastropfenfäden schwebten leicht über den Dächern wie Gesichter über einer Wiege, die Lichter Lissabons pulsierten in einem endlosen, horizontalen, langen, verstreuten Fischschwarm, der sich am Meer entlang bis nach Cascais bewegte, du verabschiedetest dich an der Tür, und dein Rock blähte sich wie eine Kieme, der Oberstleutnant, der damals Offiziersanwärter war, nahm den letzten Bus, das letzte Schiff zur Stadt, und dort hinten, dort hinter meinem Rücken, ging Seixal mit seinen Schiffsskeletten und seinen angeschwemmten Häusern seufzend im Tejoschlick unter, bis nichts mehr übrig war als ein Schwarm verblüffter Tauben, die keinen Sims mehr hatten, auf dem sie ankern konnten, und anstelle der Gebäude ein großes schwarzes Loch, aus dem sich, auf nichts gestützt, die riesigen aschefarbenen Trauerweiden absoluten Vergessens erhoben.
    – Die Kommandos haben mit dem Panzer die Tore vom Kavallerieregiment aufgebrochen und die Kaserne in Beschlag genommen, Herr Brigadegeneral, warnte der Feldwebel, der Fragen ins Telefon hauchte. Es scheint Verwundete zu geben, es scheint Tote zu geben, in Belém scheint totales Chaos zu herrschen.
    – Ich kann nicht zum Abendessen kommen, brüllte Oberleutnant Cardoso, ich habe hier dringende Geschäfte zu erledigen, am besten läßt du die Langustenmayonnaise aus dem Restaurant abholen, sie ist schon bezahlt. Nein, ich lüge nicht, ich weiß auch nicht, wie lange es noch dauert, ich erkläre es dir später. Ja, etwas Unvorhergesehenes, etwas Ernstes.
    – Wie sieht sie aus, wie alt ist sie, wie heißt sie, was macht sie? fragte die Tochter in einem Atemzug. Ehrlich, Vater, wann stellst du sie mir vor?
    – Glaubst du, ich hätte nichts anderes zu tun, als mit Frauen rumzumachen? schrie Oberleutnant Cardoso empört in den Apparat. Glaubst du, ich hätte Zeit für Orgien?
    – Warum informieren die uns nicht vernünftig über das, was los ist, Dona Elisa, protestierte Oberst Ricardo, während er sich im Sessel wälzte, warum rufen die mich nicht hinauf ins Kommando,
und warum sagt mir nicht irgendein General ins Gesicht, Die Lage ist die und die und die, es geschieht dies und das und sonst noch was, wir werden A und B und C tun oder tun es bereits oder haben es schon getan? Obwohl wir die Abteilung der Offiziere des Ministeriums sind, verdammt noch mal, nicht irgendein Müll, auf den man scheißen kann. Wenn hier ein Genosse auftaucht, um etwas in Erfahrung zu bringen, der Kommandeur einer Militärregion zum Beispiel, was antworten wir ihm, na, sagen Sie schon? Und wo wir schon dabei sind, worüber lacht eigentlich ihr blöder Sohn?
    Zwei oder drei Tage später (zwei Tage, Stunde für Stunde, er erinnerte sich genau daran, zwei Tage mit Noten und Berichten und Karteikarten und Kreuzen und Zeichen mit Bleistift am Rande der Akten) klingelte das Telefon anders (Oder bilde ich mir ein, daß es anders klingelte) in dem Kabuff, der schwere Beira-Akzent des Gefreiten aus der Telefonzentrale verkündete, Eine Dame für den Herrn Oberstleutnant, möchten Sie das Gespräch annehmen, Herr Oberstleutnant?, Knacken, eine Art Sandpapierreiben, das in den Ohren und im Kopf schmerzte und die Wirbelsäule hinunterrollte, ein Doppelklicken, Bitte sehr, und fast gleichzeitig eine weibliche, lockere, höfliche, selbstsichere Stimme, Ich wollte Ihnen für die Bereitstellung des Wagens am Donnerstag danken, Herr Oberstleutnant, ich wollte mich für die Aufmerksamkeit bedanken.
    – Und nicht nur der Mann von der Balkonverglasung, beharrte der Schwiegersohn verzweifelt, da ist die Versicherung für den Wagen, da ist der Kaufvertrag für die Wohnung, da sind die tausendundein banalen Dinge, die darauf warten, daß sie geregelt werden, Bestellungen im Lebensmittelladen, das Bankkonto, Kleidung

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