Fado Alexandrino
nicht du es, die ich berühre, bist nicht du es, mit der ich rede, ich bin kurz zuvor aufgestanden, um urinieren zu gehen, und habe draußen sogar ohne Brille einen riesigen Brunnen gesehen, Bäume, Gebäude, ich habe gerülpst, und Champagnergeschmack stieg mir in den Mund, ich wollte hinausgehen und fand die Tür nicht, versuchte, durch den Rahmen eines Bildes zu entkommen, paßte dort aber nicht hinein, versuchte, mich in einem Topf zu verstecken, und blieb mit der Ferse am Rand hängen, und da begriff ich, daß ich wieder in Peniche, wieder in Caxias war, am vierten Tag Statuestehen, daß hinter dem Brunnen und den Bäumen und den Gebäuden sich das ängstliche, wiederholte Muhen des Meereskalbes versteckte, ich verstand, daß ich mich wahrscheinlich im Sitz der politischen Polizei befand mit den Zellen und Kabuffs für die durch ein grobes Kunststück aus Pappe und Zellophan und Spiegeltricks getarnten Verhöre, in einer gewöhnlichen Wohnung in einem gewöhnlichen Stadtviertel, damit sie mich leichter dazu zwingen können, was weiß ich was irgendwem zu gestehen, die Organisation, Olavo, Emílio, der Glatzkopf, Lopes, der Tod von Pires im Krankenhaus, ich verstand, daß diese Frauen und diese Männer Agenten der Geheimpolizei sind, die sich als Freunde verkleidet haben, mich küssen, mir kleine Klapse auf die Schulter geben, die vertraut mit mir über dies und das und über Mosambik und über sich selbst reden, die so tun, als wären sie betrunken, die nackt vor mir stehen, ihre Pistolen in den Handtaschen oder Hosentaschen, Mikrophone und Aufnahmegeräte in den Schubladen der Möbel versteckt haben,
ich merkte plötzlich, wissen Sie, daß diese Nacht eine erfundene Nacht ist, eine Nacht aus an die Fensterscheiben geklebtem Glanzpapier, daß es in Wirklichkeit draußen elf Uhr oder zwölf Uhr mittags oder drei Uhr ist und daß ich, wenn ich diese schwarzen Tücher mit der Nase oder den Ellenbogen durchlöchere, auf die Sonne stoße, die ich erahne, auf die Helligkeit, die sie mir rauben, auf den August, den ich errate, also gehen Sie zum Teufel, Herr Hauptmann, oder besser gesagt, gehen Sie zum Teufel, Herr Inspektor, sagen Sie Ihren Leuten, daß sie sich zurückziehen sollen, hören Sie mit dieser idiotischen Aufführung auf, schieben Sie mir diese tote Frau dort weg mit ihrem Totengeruch und ihrem Totenatem und ihrer glitschigen Froschhaut einer Toten, weit von mir weg, denn ich habe vor langer Zeit die Politik aufgegeben, ehrlich, was weiß ich, was mit Olavo ist, was weiß ich, was mit Lopes ist, was weiß ich, was mit dem Zentralkomitee ist, ich habe ein paar Monate nach dem Infarkt von Pires auf die Revolution geschissen, bei einer tumulthaften Versammlung in Estefânia bin ich ausgetreten, verstehen Sie, ich bin ausgetreten, ich schwöre bei den Knochen meiner Patentante, daß ich ausgetreten bin, der Kerl mit Pfeife und Latzhosen und üppigem Haar, der die Sitzung leitete, blickte peinlich berührt um sich, stocherte mit einem Streichholz in der Asche im Pfeifenkopf herum, um Zeit zu gewinnen, blickte noch einmal in die Runde auf der Suche nach irgendeiner Unterstützung in den gesichtslosen Gesichtern, die glatt und geistesabwesend wie Äpfel waren, die der Rauch unscharf machte, und schob schließlich ein Blatt Papier über die fadenscheinige Lehne des Sessels zum Funker hin und fragte tastend, vorsichtig, wobei er durch die Wörter torkelte wie ein Betrunkener, der sich, so gut er kann, bemüht, gerade zu gehen, Was soll das denn?
– Deine Tante hat sich den Oberschenkelhalsknochen gebrochen, erklärte der Arzt, ein junger, der noch unsicher genug war, um sich zu interessieren. Sie muß operiert werden, sonst kann man bislang nichts weiter sagen. Ja, natürlich, sie bleibt hier, wir
werden sehen, was der Facharzt beschließt. Jedenfalls ist das in ihrem Alter ein ernstes Problem.
Das war nicht die Notfallabteilung des Krankenhauses, Herr Inspektor (wann fangen Ihre Gorillas an, mich zu schlagen, na, geben Sie’s schon zu, vor allem der da, der im Bett neben der Mulattin liegt), ich mochte die Alte zu sehr, als daß ich sie stundenlang einem dreckstarrenden Korridor voller jammernder Krankenbahren ausgesetzt hätte, voller Kranker, die auf dem Boden saßen und sich den Bauch hielten, voller trüber Augen von Kranken im Todeskrampf, voller Typen in Lumpen, voller schwangerer Frauen, die seit Jahren tot waren und die die Krankenträger täglich wieder vergaßen, voller Krankenschwestern, die mühsam
Weitere Kostenlose Bücher