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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Staatssekretär bei einer Krisensitzung ertragen, wegen irgendwelcher Idioten mit Revolutionsmacken, ich bin todmüde, ich hätte gern einen richtig starken Kaffee, wenn es dir nichts ausmacht, mir einen zu machen, und die Parfümwolke im Morgenmantel eifrig um ihn herum, und ihre Hände stopften ihm leicht die Bettücher an den Körper, und das Hündchen kratzte mit den Pfoten an der Glastür zur Küche, Clarisse einladen, meinen Schwager einladen, Ramos und seine Frau einladen, Knabberkram, Getränke, das Abendessen, ich kaue und schaue dabei auf das Letzte Abendmahl an der Wand, höre in weiter Ferne vermischte Unterhaltungen ohne Interesse, die sich nähern und entfernen, die Mutter Nähfrau oder Putzfrau oder Kassiererin im Warenhaus oder Arbeiterin in einer Wurstfabrik, die Kinderfotos, Strohstühle, von denen keiner dem anderen glich, um einen ovalen Tisch, So leben die Leute, dachte der Oberstleutnant, während er die Jacke auszog und sie sorgfältig über einen Holzbügel hängte, und inmitten dieser idiotischen Absurdität folgen die Tage pflanzengleich, ohne Aufregungen oder Hoffnung aufeinander, der Pullover, die Krawatte, das Hemd, das Mädchen sah ihn an, ohne zu weinen, hatte aber noch die Tränen von kurz zuvor reglos auf den runden Wangen, und ihr billiger Lidschatten verlor sich an den Schläfen im Haaransatz, ihre Beine hatte sie aneinandergeklebt wie die Verstorbenen, eine Hand wie einen Schirm über der Stirn, und ihre verschlagenen Pupillen waren leicht neugierig, leicht erschrocken, die Stiefel, die Hosen, die Strümpfe, die Unterhose, Und inmitten dieser idiotischen Absurdität, dachte der Oberstleutnant, dieser bitteren Ruhe ohne Fragen, verflüchtigt
sich langsam der matte Gallert der Tage, er löschte das Licht, und das Viereck des Fensters wurde im Dunkeln größer und unvermittelt deutlich, die Farbe der Klänge schriller und durchsichtiger, ein beißender, flauer Wind durchfuhr seine Eingeweide, Halt den Schnabel, sagte er laut in der Stille, sonst erschreckst du die anderen noch, und ihn überfiel die Gewißheit, daß er in Wirklichkeit zu den Möwen und den Seevögeln von Alcochete sprach, die im Gras über dem Schlick des Flusses schliefen.

3
    Diese Nacht kenne ich nicht. Diese Wohnung kenne ich nicht. Diese Gerüche, diese Aromen, diese Stimmen kenne ich nicht. Diese Hunde des Morgengrauens draußen auf der Straße, die Geräusche, den teigigen Morgen, der die Fensterrahmen butterweich macht, den auf dem Bauch neben mir auf dem Teppichboden liegenden verstorbenen Körper kenne ich nicht, warum tot, von wem getötet, wie getötet? Esmeralda, meine Patentante, Dália, du? Ich komme zweimal in der Woche, dienstags und freitags, nach dem Abendessen in dein Apartment, trinke, rede, höre Musik, putze die Brille mit dem Taschentuch oder mit dem speziellen Tüchlein, das mir der Arzt gegeben hat und das ich immer verliere, ich entkleide mich, schlüpfe zwischen die Bettücher, küsse dich, dringe in dich ein oder du in mich, und wir beide gleichzeitig einer im anderen wie Langusten voller Scheren, Fühler, Beine, Haare, harter, hochroter Gliedmaßen, wir zerfetzen uns mit den Fingernägeln, den Fingern und den Zähnen, um acht Uhr weckst du mich mit dem Frühstücksmilchkaffee, ich bade, kämme mich, ziehe Strümpfe und Schuhe an, du verabschiedest dich im Morgenmantel von mir, schlurfst mit den großen, zögerlichen Krustentierfüßen, beim Hinundhergeschuckel des Busses zum Ministerium spüre ich auf dem Rücken die Kratzer vom Vortag und die Spuren der Eckzähne am Hals, ich kehre abends zu den Giraffen und zu den Nilpferden des Karussells zurück, die mich vom Fenster aus anschauen wie diese tote Frau, die ich nicht kenne, so wie die Gefangenen im Gefängnis mich ansehen, wie mich der Inspektor mitfühlend und gierig anschaute, bevor er mich schlug, wie diese Männer und Frauen, die mich dumpf wie unter Wasser anschauen, sich halb nackt mit krummen mühsamen Krebsgesten
über den Flur bewegen, um in den Ecken die weißliche Fleischfüllung ihrer Eingeweide zu erbrechen. Aber ich kenne sie nicht, und auch Sie kenne ich nicht, der Sie da sitzen, mir zuhören, meine Tante ist gestorben, Dália ist verschwunden, Esmeralda ist im Heim, wo sie auf die Wand vor sich starrt und auf das, was ich zu ihr sage, nicht antwortet, und wenn ich ihre Hand streichele, schnappt sie mit der pflanzlichen Beharrlichkeit einer Ranke mein Handgelenk, heute ist weder Dienstag noch Freitag, und deshalb bist

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