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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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sich am Bahnhof von mir, ohne mich zu berühren, als wäre mein stummer Haß auf sie eine Hautkrankheit, sie gaben mir einen Pappkoffer mit der Wäsche und einen Korb mit Essen, damit ich die Reise überstand, und am Ende von Stunden über Stunden, die ich über Berge gestolpert, durch Häuser, Weiden, Bahnstationen, Haufen von Gebäuden, Burgruinen und die verblüffte Stille der Felder gefahren war, stieg ich in Lissabon im Dampf der Bremsen und der grausigen, kreischenden Metallproteste aus, an einem Ort, der einer riesigen Kirche glich, die voller Waggons, Zeitungen, Koffer, Lärm war, und die gnädige Frau mit Regenschirm, hochgewachsen, ernst, feierlich, für mein Gefühl merkwürdig angezogen wie die Figuren auf den Traggerüsten der Prozessionen, wartete mit ihrem Ehemann auf mich, beobachtete die Leute, die herauskamen, mit scharfen, schnellen Vogelpupillen, bis sie mich bemerkte, meinen Arm mit dem Handschuh berührte, ihren Mann rief, der sich mit einem riesigen Taschentuch den Schweiß vom Nacken wischte, und sie nahmen mich mit in ihre Wohnung hinter dem, was sehr viel später einmal, zu Zeiten des jungen Herrn, der Vergnügungspark sein würde, und damals ein von schwindelnd hohen, drei- oder vierstöckigen Gebäuden voller Fenster und merkwürdiger Balkone umringtes Ödland war, und dort gaben sie mir eine Schürze,
graue Uniformkleider und einen gestärkten Hahnenkamm für das Haar, wie mir noch nie einer in den Sinn gekommen war, sie befahlen mir, Du wirst Dienstmädchen sein, und brachten mir bei, wie ich den Tisch zu decken, Staub zu wischen, Metall zu putzen, tausendundeinen Gegenstand in tausendundeine Schublade zu verstauen hatte, wie ich zu bügeln und Wäsche zu falten hatte, und gaben mir einen Spiegelschrank neben dem Schrank der Köchin und ein Bett neben ihrem Bett im Zimmer gleich hinter der Anrichte, und ich wachte die ganze Nacht und mehrere Nächte nach dieser Nacht im Dunkeln, hörte die winzigen, kaum hörbaren Schritte der Mäuse, die in den Paketen mit Nudeln, Salz, Gerste trabten, roch den neuen, unbekannten Geruch des Kopfkissenbezuges, schrak vom Knacken der Möbel und dem Schlaf und dem Husten und den angstmachenden, ungewohnten Vibrationen der Straße hoch und dachte an meine blinde Schwester im Heim in Viseu ohne Glimmer, ohne Wespen, ohne düstere Gassen, ohne vertraute Stimme, wo man sie schalt oder aufforderte, mit anderen blinden Kindern Hand in Hand in einem Park mit Kies spazierenzugehen, und auch sie ihre Wut und ihren Haß im Inneren der Eierschalen ihrer leeren Augenhöhlen bewahrte.
    Niemals mehr habe ich in mir einen Mann besessen, denn mein Körper schloß sich, und ich fühle ihn seit vielen Jahren, fünfzig oder sechzig Jahren, verschlossen wie die dicken Blumen der Nacht, weil die Lippen der Beine sich in einem weichen, störrischen Egoismus von Blütenkelchen geschlossen haben, seit mein Stiefvater mich durchstochen und durchbohrt und mir mit den vom Erschrecken meines Vaters und von der intimen Flüssigkeit meiner Mutter befleckten Händen Brust und Bauch durchwühlt hat, dieses wächserne Wasser, das ich manchmal absondere, wenn ich mich berühre, um in der Gabelung der Schenkel einen feuchten Wurm zu fühlen, der, an den Knochen des Beckens geheftet, hart wird und zittert, bis so etwas wie ein Schluchzen in mir anwächst, ein schnelles Zucken meine Muskeln und meine Haut zusammenzieht, meine Zähne im Mund wie eine
Gabel gegen eine Gabel knirschen und sich die Eingeweide wieder beruhigen, in einer immensen Müdigkeit befriedet, in der kein Haß mehr ist, kein Groll, nur der klebrige Schweiß unter den Achseln, in der Leistenbeuge und den Beugen der Gelenke, und mein Herz rasend schnell durch den Leib rennt wie ein Hund, der hinter dem eigenen Schwanz her ist. Niemals wieder habe ich irgendeinen Mann besessen, denn mich ekeln ihr Drängen, ihre Hände und ihre Behaarung, die von den Pilzen und Flechten des eigenen Todes schweren Knochen in ihnen, denn mich ekeln ihre kleinen, sterilen Brüste, die trocken wie Rosinen sind, und diese dunklen, unten hängenden Säcke, die schaukeln, wenn sie gehen, sich fast vom Bauch lösen wie die Bauchnabel der Neugeborenen. Ich rede nicht nur von dem Morgen oder dem Nachmittag oder der Nacht, als mein Stiefvater sich auf mich legte und mir mit der Pflugschar die wäßrigen Membranen meines Bauches zerriß, weil es nicht nur dieses eine Mal am Fluß war, daß ich ihn aufnahm, sondern andere Male, um ihn noch mehr zu hassen,

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