Fado Alexandrino
Jahre meiner Kindheit, hier schmerzvoll zusammengefaßt, und da ich das der gnädigen Frau niemals würde erklären können, weil die Menschen in der Stadt nur das Verständliche verstehen oder das, was man nicht verstehen kann, wischte ich die Sauce mit einem mit heißem Wasser getränkten Tuch ab, als würde ich einer Frau in ihren Wehenqualen beistehen, der Ehemann drehte den Ehering am Finger, während er beobachtete, wie der Fleck verschwand, und als alles zu Ende war und die Welt langsam kreiste wie einst, majestätisch gelassen wie das Schwungrad einer Uhr, griffen die gnädige Frau und der Ehemann erleichtert zum Löffel, schluckten die Suppe wie Aufziehpuppen, die Deckenlampe verströmte ringsum, durch tausend Glasklunker gefiltert, Sonnenhelligkeit, und ich zog mich wieder in die Türlaibung zurück, die Hände vor dem Bauchnabel gekreuzt,
drückte mit aller Kraft, die ich hatte, die haarigen, mageren, ekelhaften Hinterbacken eines Mannes mit den Armen an mich.
Und zwölf oder dreizehn Jahre später, als der Ehemann den Unfall hatte, damals, als sich die Wohnung bereits mit Kruzifixen und Hausaltären füllte, wusch ich Wäsche auf dem Balkon vor den Fenstern und Balkonen der anderen Gebäude, auf denen Frauen wie ich, zu Waschtrögen wie diesem hier heruntergebeugt, Wäsche mit den gleichen Gesten wuschen wie ich, und ich sah einen Platz mit einer Statue, eine Fahrbahn und wie die Straßenbahn rutschte und aus den Schienen sprang und zwischen Geschrei und gelben Funken den Bürgersteig hinaufkletterte, einen Mann zerquetschte, einen zweiten, ich sah Menschen wegrennen und schreien und den Wagen schließlich am Schaufenster eines Buchladens zum Stillstand kommen, dessen Bände und Zeitschriften und Zeitungen sich wahllos auf der Straße verteilten, und noch bevor die Männer mit der Krankentrage kamen, mit ihrer nutzlosen Ausrüstung und ihren Drogistenkitteln, sah ich ihn bäuchlings auf dem Boden liegen, das Gesicht so unkenntlich wie das auf den Kinderfotos, wie er ins Nichts schaute, als würde er weiterhin gerade und würdig am Tisch sitzen, mir zusehen, wie ich mit heißem Wasser die Sauceflecken aus dem Tischtuch wusch, den Löffel zwischen Teller und Mund in der Schwebe halten, und die Uhr schlug langsamer als das Pendel der Wanduhr zwischen zwei chinesischen Schränken oder Konsolen oder Kommoden, eine gelbe Scheibe, die hin und her
hin und her
hin und her
ging und hin und wieder mittelalterliche Stunden in der aufrechten Kiste aus Ebenholz schlug.
An diesem Tag haßte ich ihn, nicht weil er mir weh getan hatte, nicht weil er in meinem Zimmer erschien, wenn ich allein war, den Mund auf- und zumachte und wie ein Fisch atmete, nicht wegen seiner Finger, die mir unter den Röcken herumwühlten
oder wegen des zarten Hundewinselns, sondern einfach nur, weil er ein Mann war, weil er wie mein Vater und wie mein Stiefvater roch trotz des Geruchs nach Parfüm, nach Wein, nach Leder, nach Tabak und nach Eile. Ich haßte seinen Körper, der in die Eingeweide meines Körper eindrang, und die riesige Hernie des Hodens, die ihn zu dem Versuch zwang, seitlich in die versiegelte Blüte meines Leibes, in die Lippen meiner Beine einzudringen, die sich mit dem weichen, störrischen Egoismus eines Blütenkelches zusammenpreßten und ineinander verschmolzen, und dennoch oder gerade deswegen half ich der gnädigen Frau, als der Tote aus dem Leichenschauhaus kam, ihn mit einer heimlichen Freude, einer verborgenen Genugtuung zu waschen und ihn in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer anzukleiden, in dem die Matratze schon seit vielen Jahren nicht mehr protestierte oder quietschte, unter dem riesigen Kruzifix aus geschnitztem Holz, das so groß wie mein ganzer Arm war und auf dem sich Christus wie ein Wurm an den Nägeln wand, andere, kleinere Kruzifixe, ein riesiges Bild, das die Passion, Spinnweben aus Rosenkränzen hier und da und eine Frau darstellte, die auf einer Wolke stand und, umringt von einem Schwarm winziger bunter Engel, die den Faltern der Schlaflosigkeit an den Petroleumlampen ähnelten, mit der nackten Ferse eine Schlange trat.
Also half ich der gnädigen Frau, ihn zurechtzumachen, wie ich es bei meinem Vater vor all diesen Jahren in der kleinen Stadt gesehen hatte und wie ich hoffe, daß sie es trotz allem auch hier mit mir machen werden, trotz der Gleichgültigkeit der Angestellten und der Verachtung der ältesten, der mit dem Schlüsselbund an der Taille, die nie lächelt, nie die Stimme erhebt, niemals
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