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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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beschuldigte ihn der Schwiegersohn. Der Staatssekretär weiß, daß ich Ihre Tochter geheiratet habe, ich kann von Glück sagen, daß ich überhaupt noch im Ministerium bin und übergangen werde.
    – Er sagt, er verstand nicht recht, was in der Luft lag, erklärte der Leutnant mit einer Grimasse. Glauben Sie, Herr Hauptmann, daß er von nichts wußte?
    – Ich fühlte mich in die Enge getrieben, protestierte der Oberstleutnant, während er sich aus der von Glas blitzenden kleinen Bar im Wohnzimmer einen Gin nahm, die Aufforderung von Mendes hat mich wirklich in eine blöde Situation gebracht. Mir war es im Grunde genommen egal, ob ich an der Macht war oder nicht, Hauptsache, ich wurde ordnungsgemäß befördert, wenn es soweit war, ich bekam Posten, die mir nicht mißfielen, und ich bekam meine Rente.
    – Und im Monat nach Caldas, jubelte der Funker, der richtige Staatsstreich, Gesänge, Applaus, all die Menschen, die uns befreiten. Obwohl die Pide es versucht hat, blieb nicht mehr viel Zeit, konnte sie uns das Leben nicht mehr schwermachen: ein paar kleine Verhöre, ein paar Ohrfeigen, mehr nicht.
    Ein anderer Kriegsteilnehmer begann zu sprechen, nachdem er einen riesigen Stapel vierfach geknickter Blätter aus der Tasche gezogen hatte, vor der Wohnung der Mutter hatte der Angriffspanzer bereits eine Wand ganz zerstört, und die Ketten rutschten
über den staubigen Müll der Ruinen, während der Motor eine dicke dunkle Rauchwolke unter der Fahrerbank ausstieß. Eine Gruppe Gaffer verfolgte die Operation genau, durch die zerbrochenen Fenster erkannte man quadratische Stückchen Himmel, der Oberstleutnant stellte das Glas auf der Armlehne des Sofas ab, und in diesem Augenblick klingelte das Telefon: Meine Tochter, mein Schwiegersohn, du? Ein paar Bettler schnüffelten im Müll, ein Mann mit Mütze machte dem Traktor Zeichen, etwas weiter weg, am Gebäude der Feuerwehr, wickelte sich eine Sirene auf und ab.
    – Ja? fragte er mit einem müden Seufzer in den Apparat, während er den unangenehmen Geschmack von Alkohol im Rachen spürte. Es hatte aufgehört zu regnen, und das Schiff fuhr nun schneller, aber ruhig durch das lehmige Wasser, entfernte sich von Indien, den Palmen von Indien, von deinem toten Schweigen, auf dem Weg ins Nichts. Auf dem Sarg mitten im Wohnzimmer sitzend, betrachtete ihn seine Mutter voller Verachtung.
    – Herr Kommandeur? artikulierte ein Stimmchen betonungslos ins Ohr. Hier Hauptmann Rodrigues, der diensthabende Offizier. Tut mir leid, Sie zu Hause zu stören (Warum kommst du nicht rauf?), doch eben gerade ist eine Kolonne vom Regiment von Caldas da Rainha nach Lissabon aufgebrochen, und sie bitten alle Einheiten um Unterstützung, das Regime zu stürzen. Andererseits (Einen kleinen Augenblick nur, nach zwei oder drei Gin kann ich normalerweise) sind auch Anweisungen gegenteiligen Inhalts vom Verteidigungsministerium gekommen. Die meisten Männer sind in der Kaserne, die Meinung der Offiziere ist geteilt, und angesichts der letzten Ereignisse hätte ich gern, daß Sie mir anordnen, was zu tun ist.
    Die Mutter, die schon alt war, kämmte mit zittrigen, lächerlich theatralischen Gesten, die sie sich in der Vergangenheit angewöhnt hatte, das weiße Haar, schmückte sich mit Klammern, Armreifen, Ketten, überdimensionalen falschen Ringen, Spitzen, zog den Rock hoch, um die spindeldürren Beine in aufsehenerregenden schwarz-blauen, mit durchsichtigen Rosetten gezierten
Strümpfen zu zeigen, die lose an den Knochen hingen, und der Oberstleutnant glaubte einen Augenblick lang, die grauen Haare an der Scham zu sehen, deren Lippen sich, vorgeschoben wie ein schmollender Mund, schlossen. Eine zweite Wand stürzte lärmend in einer Wolke aus Backstein und Mörtel zusammen, und ältere Herren tauchten lächelnd hinter ihr auf, unterhielten sich, boten einander Zigaretten an, klopften sich gegenseitig auf die Schultern, sahen ihn mitleidig an, schwenkten zutiefst vorwurfsvoll ihre Kölnischwasser-Weihrauchfässerköpfe.
    – Ist Major Ferreira nicht da?
    – Ich kam inmitten des Beifalls und der Schreie die Treppe vom Gefängnis herunter, sagte der Funker, und glaubte nicht, was da passierte, Herr Hauptmann. Der Sturz des Faschismus, verstehen Sie, war für mich eine Art Traum geworden, ein illusorisches Ziel.
    – Ich rufe Sie ja gerade deswegen an, Herr Kommandeur, entgegnete das Stimmchen in seinem entschlossenen, blinden Tonfall. Major Ferreira schläft in seinem Büro mit einer derartigen Ladung

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