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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Fenster, der Himmel gleichmäßig rotzfarben, Ich bin im Arsch.

    – Erinnern Sie sich an die Pide in Afrika, Herr Hauptmann, an ihre kleinen, Bunkern ähnelnden Kasernen, gleich bei den Eingeborenensiedlungen, an die Agenten, die manchmal, die Waffe an der Taille, in die Offiziersmesse kamen und mit uns Kaffee tranken? fragte mich der Funker, während er einen Fleck von den Brillengläsern kratzte. Ohne seine gewohnte Glasmaske verlor er das Aussehen eines Mathematiklehrers, seine Züge erhielten eine unvermutete Unschuld, ein Kinderlächeln zögerte wie die Luftblase in der Wasserwaage der Zimmerleute zwischen dem lippenlosen Mund und der unvollständigen, rundlichen Babynase. (Und du in der Politik, dachte ich ungläubig, und du hast konspiriert, bist Risiken eingegangen, hast Papiere versteckt, an die Wände geschrieben, von einem weitschweifigen Ideal getrieben, das sich in gesprayten Worten mit gebieterischen Befehlen kristallisierte.) Ich ging immer abends, vom aufmerksamen Schweigen der Hunde verfolgt, im Dorf spazieren, ahmte die Gesten meines eigenen Schattens nach, der sich vor meinen Füßen wie ein Teppich ausbreitete, ging hinauf bis zur Kaserne der Kerle, und es gab unweigerlich den einen oder anderen Typen, der an die Mauer gelehnt dastand oder mit den Hunden spielte oder mit den Lastwagenfahrern redete und mich einlud hereinzukommen, mir einen Whisky oder Likör oder irgendein Getränk in einem Saal anbot, der mit großen, mit Plastikfähnchen markierten Landkarten ausgekleidet war, über denen ein Kruzifix und ein Foto des Admirals an der Wand hing. Ich habe allmählich die Kerker kennengelernt, die riesigen Radios, sammelte Informationen, erfuhr Einzelheiten über die festen Kräfte, begriff ein wenig, wie diese ganze merkwürdige Maschinerie arbeitete, und einmal, wissen Sie, da hat mir der Unterinspektor, der verschwitzteste Mensch, der mir je untergekommen ist, der sich ständig mit dem wie ein Jahrmarktsringkämpfer tätowierten Arm die Stirn abwischte, das Verhörzimmer gezeigt, wo ein Schwarzer auf Knien auf einer sehr dünnen Eisenstange, die er mit den Fingern hielt, eine Wahnsinnstracht Prügel von einem der Kerkerwärter bekam,
der ihn mit den Füßen trat und ihn mit einer Kette aus winzigen Eisenringen schlug und bei jedem Schlag wie ein Hammerwerfer stöhnte. Die aufgeplatzten Lippen des Gefangenen bluteten, die Nasenflügel zerfaserten wie ein Granatapfel aus Fleisch, tiefe, schräge Striemen bedeckten seine Rippen, und ich dachte plötzlich entsetzt, Wahrscheinlich wissen sie, wer ich bin, wahrscheinlich wissen sie von der Organisation, von den Flugblättern, von Olavo, von den Bombenprojekten, wahrscheinlich werden sie, wenn der Neger als ein Haufen aus den Angeln gegangener Muskeln zusammensackt, mich da draufsetzen und von neuem anfangen, doch von wegen, Herr Hauptmann, da kam die Limonade oder der übliche Whisky, die freundschaftlichen Händedrucke der Agenten, die uns begegneten, die üblichen tagtäglichen Beschwerden über das Isoliertsein, das Sumpffieber, die Ekzeme, die Hitze, die mickrigen Gehälter, den Krieg, das Damespiel, bis es Zeit zum Abendessen war, ich verlor alle Spiele, weil mich in meinem Kopf ein Kerl ohne Unterlaß schlug und mit den Füßen trat, weil die Riegel der Kerker sich hinter meinem Rücken schlossen, weil Fragen aus allen Fähnchen der Landkarten erwuchsen, Wer sind deine Kontakte? wie funktioniert euer Nachrichtensystem? die Adresse der Druckerei, die diesen ganzen Mist gegen den Herrn Minister ausspuckt?, und ich auf Knien, die Eisenstange auf den Fingern, dachte verschreckt, Mit dem ersten Fußtritt zerschmettern sie mir alle Zähne, zerstören sie mir die Kinnlade, wie sich wohl der Schmerz eines zerbröselten Oberarmknochens anfühlt?
    Er verbrachte endlose Stunden im Kabuff, erst im Stehen, dann in der Hocke gegen die Tür gelehnt und schließlich auf dem mit Essensresten verschmutzten Parkett sitzend, stapelte Ideen, bereitete Antworten vor, dachte sich Entschuldigungen aus, während er an der Farbe des Himmels in dem kleinen Rechteck der Dachluke in etwa die Uhrzeit ausrechnete, das dicke Pergament des Morgens, die kleinen dahintreibenden Mittagswolken, der Abendschatten der Tauben, Wann werden sie mich rufen? wann
werden sie mir etwas zu essen geben?, er mußte urinieren, und es gab nichts, wo er es hätte tun können, keine kleine Ritze, kein Loch, keinen Abfluß, er hielt mit aller Kraft die Pisse in der Blase zurück, die Ahnung von

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