Fächergrün
Drogenrazzia; 2008: Mercedes S-Klasse in Südtirol, manipulierte Bremsanlage, Geschäftsmann aus Starnberg, tot nach Abflug in eine Bergschlucht; 2006: Mülltonne in Osnabrück, Brandanschlag auf ein italienisches Restaurant mit 3 Toten; 2008: Kofferraumdeckel eines BMW 7er in Lyon, bulgarischer Fahrer mit Loch in der Stirn, 9 Millimeter … Puuh!« Der Kommissar zog ein großes weißes Stofftaschentuch heraus und wischte sich damit die Schweißperlen von der Stirn. »Ist euch klar, was das bedeutet?«
Paul Wellmann nickte: »Wir bekommen Verstärkung. Ab sofort mischt die Abteilung OK mit. Weiß dort schon jemand Bescheid?«
»Wenn ich Abdrücke vergleichen will, kommen die automatisch ins Netz und die Treffermitteilung geht raus. Ich wette, der KO-Bauer steht demnächst bei mir auf der Matte.«
»Hauptsache, es marschiert nicht noch einer aus Stuttgart hier an. Meine Erfahrungen mit dem LKA sind – aber das wisst ihr ja selbst«, stöhnte Lindt. Weiter kam er nicht, denn Willms Telefon meldete einen eingehenden Anruf.
»Kannst gleich kommen, der Oskar ist mit seiner Mannschaft schon da«, antwortete der KTU-Chef und legte auf. »Hätte nicht gedacht, dass er die Mail so schnell liest.«
Mit Frank Bauer hatte die Mordkommission in den vergangenen Jahren hin und wieder recht erfolgreich zusammengearbeitet. Sein Spitzname KO-Bauer und eine auffallend krumme Nase waren ihm aus einer kurzen, längst vergangenen Episode im Boxsport geblieben. Einzig die Neigung zu engen, muskelbetonenden T-Shirts erinnerte noch an diese Zeit, ansonsten hatte er das Boxer-Milieu längst mit einem friedlichen Leben als vierfacher Familienvater im Ettlinger Reihenhaus getauscht.
KO passte aber auch deswegen ganz gut, weil der Mittvierziger seit 13 Jahren in der Abteilung für Organisierte Kriminalität, kurz OK genannt, bei der Karlsruher Kripo tätig war. Vor einigen Monaten hatte man ihn sogar mit deren Leitung beauftragt.
Es dauerte nicht lange, da flog die Tür zu Willms’ Laborräumen auf und ein breitschultriger Mann, dessen buschiger Schnauzbart einen auffälligen Kontrast zu seiner millimeterkurzen Stoppelfrisur darstellte, stürmte herein.
»Jetzt haben wir ihn also hier bei uns, den Mister Unbekannt.« Schnell drückte Bauer reihum die Hände zur Begrüßung, doch als es bei Jan Sternberg laut knackte und der schmerzhaft aufstöhnte, zog Lindt schnell zurück. »Danke, mir reicht’s noch vom letzten Mal.«
Bauer grinste nur und setzte sich auf die Ecke von Willms’ Schreibtisch. »Also, was habt ihr?«
»Kommen welche vom LKA?«, wollte Paul Wellmann wissen. »Nicht, dass wir alles zweimal erzählen müssen.«
»Keine Panik, bis jetzt hat sich noch keiner bei mir gemeldet.«
»Es wird sein wie immer«, meinte Oskar Lindt. »Wenn man sie braucht, dann heißt es ›überlastet und unterbesetzt‹, aber wenn sie Lorbeeren einheimsen können, stehen sie plötzlich ganz vorne.«
»Wir werden sehen«, zuckte Frank Bauer mit den Schultern. »Vielleicht kann ich die ja auch mit einer Mail abspeisen.«
»Wir vertrauen ganz auf deine Formulierungskünste«, antwortete Lindt und begann, den Kollegen über den bisherigen Ermittlungsstand aufzuklären.
»Die Abdrücke hatten übrigens eine so schlechte Qualität«, ergänzte Ludwig Willms, »die können auch schon ziemlich alt sein.«
Bauer nickte: »Technik berichtet: Spuren vermutlich nicht aktuell. Werd ich schreiben.«
»Die beiden Alten waren unsere früheren Vermieter«, fuhr Lindt fort. »20 Jahre haben wir in einem ihrer Häuser gewohnt, Lachnerstraße, Oststadt, genau gegenüber des Tatorts, ich denke, du kennst dich aus.«
»Was, Lachnerstraße? Moment, da hatten wir doch«, Bauer rieb sich nachdenklich die Stirn, »ich glaube, das war 1999 …, einen Anfangsverdacht. Müsste ich noch mal genauer nachschlagen.«
»Was für ein Vorwurf?«
»Bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich meine, es war nur ein Name, italienisch. Ein Informant brachte ihn ins Spiel. Leider ist unser Mann nach diesem einen Gespräch untergetaucht. Wäre nicht der Erste, dem die Sache zu heiß wurde. Wir haben nie mehr was von ihm gehört.«
»So, so, untergetaucht«, sinnierte Lindt. »Wir haben auch einen, der seit sechs Jahren unauffindbar ist. Gallo, Vittorio Gallo, hat 37 Jahre bei den Maiwalds gearbeitet. Maurer-Kapo, wohnte mit seinem Clan in der Südstadt.«
Bauer ging zum Telefon. »Gallo … Gallo, lasst mich mal kurz bei Fips anrufen, der hat den Mann damals einige Zeit
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