Fächerkalt
mehr.«
»Auf Frauen
soll er mächtig Eindruck gemacht haben.«
»Bestimmt
net auf alle«, zischte die dicke Frau.
»Das da«,
Kao tippte auf das Foto daneben, »das sind die Luise und der Eduard mit ihrem Sohn,
dem Konstantin. Da kam er grad in die Schul. Mordsg’scheit, der Bub. Hat sogar in
Amerika studiert, aber dann … Na, das wissen Sie sicher aus der Zeitung.«
Lindt nickte.
»Leider.« Sein Blick blieb an einem anderen Bild hängen. »Und diese vier?«
Kao stellte
sich neben den Kommissar. »Das hat sie uns mal aus dem Urlaub geschickt. Rio de
Janeiro, Copacabana, weißer Strand und Palmen. Die konnten sich halt was leisten.
Die andere Frau da ist dem Eduard seine Schwester, die Irene. Wir haben die nur
ein Mal gesehen.«
»Ja, bei
der Hochzeit und seither nie mehr«, kam vom Sofa her.
Lindt rieb
sich die Augen und setzte seine Lesebrille auf. »Dann ist das hier der Mann von
dieser Irene?«
»Ja, ja,
der Stoll, der Otto. Lebt schon lange nicht mehr. Hat anscheinend mal einen Unfall
g’habt. Genauer wissen wir das net.«
Lindt schob
das Album zu Paul Wellmann. »Denkst du, was ich denke?«
Wellmann
sah es auf den ersten Blick. »Eindeutig, Oskar. Ganz offensichtlich.«
»Gibt es
denn noch mehr Bilder, auf denen die Schwester drauf ist?«
Kao verneinte.
»Leider ist das hier das einzige. Wie g’sagt, mit denen hatten wir ja gar nichts
…«
»Ob Sie
uns das Foto ausleihen würden? Sie bekommen es selbstverständlich zurück. Und diese
beiden da vielleicht auch?«
»Selbstverständlich.«
Kao bog die Bilder aus den Fotoecken und gab sie Lindt. »Wenn es Ihnen weiterhilft.«
Die Kommissare
standen auf.
»Aber was
wollten Sie uns denn fragen?« Die Frau war erstaunt.
»Danke«,
streckte Lindt ihr die Hand hinüber. »Danke, Sie haben uns schon sehr geholfen.
Leider können wir Ihnen im Moment nicht mehr dazu sagen.«
»Nichts ist, wie es scheint, Paul«,
meinte Lindt auf der Heimfahrt.
»Wenn das
stimmt, bekommen unsere Ermittlungen ab sofort eine komplett andere Richtung. Ich
hab’s auf Anhieb gesehen.«
»Lässt sich
diese Theorie auch beweisen?«
»Gib’s zu,
du denkst schon wieder an den Friedhofsbagger.«
Lindt schwieg
eine Weile, dann überlegte er laut: »Du weißt ja, ich will alles immer sehr genau
wissen.«
»Und den
Staatsanwalt würde die DNA natürlich mehr überzeugen als ein altes, verblichenes
Foto.«
Tilmann Conradi war nicht der Typ
für spektakuläre Aktionen. Der Kurze ging lieber vorsichtig zu Werke und überlegte
dreimal öfter als andere seiner Kollegen, wenn er die Genehmigung für eine Exhumierung
beantragte.
»Lassen
Sie mir die Bilder da«, bat er, als die beiden Kommissare am späten Nachmittag zu
ihm ins Büro kamen. »Wenn Sie tatsächlich recht haben, ergeben sich vollkommen andere
Zusammenhänge.«
Es dauerte
nur eine Stunde. Gegen halb sechs brachte Conradi die Fotografien zurück. Wie üblich
brauchte er nur zum Kaffeeautomaten zu schielen und einer aus Lindts Team stellte
sofort den großen weißen Becher mit der aufgemalten Justitia unter den Ausgießer.
Die Kaffeebohnen, die Lindt von einer kleinen Rösterei bezog – aus biologischem
Anbau und fairem Handel, wie er bei jeder Gelegenheit betonte –, brachten nach Meinung
des Kurzen das Nonplusultra an Genuss. Leider war es ihm bislang nicht gelungen,
die Kaffeegemeinschaft in der Staatsanwaltschaft für diese teuren Bohnen zu begeistern
– folglich kam er äußerst gerne zu Besprechungen im Polizeipräsidium vorbei.
»Sie können
loslegen«, verkündete Conradi.
»Prima«,
freute sich Lindt. »Wir haben bereits alles organisiert. Ein Anruf und morgen früh
um halb acht stehen wir auf dem Hauptfriedhof.«
Er führte Buch darüber. Lindts Quote
bei Exhumierungen lag bei 2:27. Nur zwei Fehlschläge hatte er in seinen ganzen Dienstjahren
zu verzeichnen gehabt. 27-mal war die Störung der Totenruhe absolut gerechtfertigt
gewesen.
Auch in
diesem Fall rechnete er mit einem Volltreffer, als der Löffel des kleinen Baggers
sich in das knapp 17 Jahre alte Grab absenkte, um vorsichtig die Bepflanzung abzuheben.
Danach ging es tiefer und tiefer, bis er endlich auf Holz stieß. Der Kommissar bestellte
beim Friedhofsamt immer ausdrücklich denselben Maschinisten, denn der erledigte
die unangenehme Tätigkeit so geschickt, flink und sauber, dass nur extrem wenig
Handarbeit nötig war.
Lindt war
mit dem schnellen Fortschritt sehr zufrieden. Beim Herumstehen begann er zu frieren,
denn ein
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