Fächertraum
aufgenommen hat, Jan, dann ist er nicht mehr zu bremsen. Hat er nicht gesagt, ›Die Jagd ist eröffnet‹?«
Sternberg lachte auf. »Blut geleckt! Was treibt er wohl jetzt gerade?«
Weder Hektik noch Blaulicht waren Bestandteil von Lindts Einfall. Vielmehr hatte er beschlossen, Hilfstruppen zu rekrutieren, und zwar gleich in doppelter Ausführung.
Er öffnete die Wagentür, doch bevor er einstieg, fischte er sein Handy aus der Jackentasche und drückte eine programmierte Kurzwahl.
»Können wir uns sehen? Ich hab da was.« … »In einer halben Stunde?« … »Du kennst das Café in der Karlstraße?« … »Natürlich bist du eingeladen.« … »Bis gleich.«
Der Kommissar überlegte kurz, dann entschied er sich anders, schloss den Citroën wieder ab und schwang sich auf sein altes Dreigangrad. 20 Kilometer am Morgen, nee, eindeutig zu viel, aber für die Kurzstrecken hier in der Stadt doch ganz praktisch, dachte er und trat los. Er fuhr zwar längst nicht so flott wie Triathlet Willms, erreichte aber dennoch schon nach wenigen Minuten sein erstes Ziel.
Lindt suchte sich einen Platz im hinteren Bereich des Cafés, bestellte – ›Wie immer?‹ – den großen Milchkaffee und nutzte die Wartezeit, um verschiedenen Theorien im Geiste gegeneinander abzuwägen. Einige seiner Gedanken hielt er im Notizbuch fest, ab und zu schüttelte er auch den Kopf und strich etwas aus.
Als er die gedrungene Frau mit dem hellen Bürstenhaar am Eingang erkannte, winkte er.
»Hast dich aber gut versteckt, so im Halbdunkel, Oskar«, begrüßte sie ihn. »Möchtest wohl nicht unbedingt mit mir gesehen werden?«
Das ›Ach wo‹ klang etwas halbherzig. »Vor allem kann ich keine Zuhörer am Nebentisch gebrauchen, Inka.«
»Na dann, ich glaubte schon, es wäre wegen deiner …«
»Carla meinst du? Keine Sorge, wir haben das geklärt.«
»Ist ja auch egal. Vorbei ist vorbei. Spann mich lieber nicht länger auf die Folter.«
Inka bestellte einen doppelten Espresso und zwei Croissants, dann hörte sie interessiert zu, was ihr der Kommissar zu sagen hatte. Ab und zu machte sie Notizen und schob schließlich ihren Stenoblock über den Tisch. Lindt notierte darauf fünf Namen samt den zugehörigen Adressen.
»Schau mal in meinen Rucksack«, forderte sie ihn schließlich auf und öffnete den schwarzen Lederbeutel.
»Ziemlich leer.«
»Eben. Wird bestimmt eine anstrengende Tour.«
Lindt lächelte und winkte der Bedienung: »Bitte drei belegte Brötchen. Eingepackt, zum Mitnehmen.«
»Die Aufträge halten sich immer noch ziemlich in Grenzen, und auch meine Maschine da draußen braucht ab und zu etwas Futter.«
Mit Geld konntest du ja noch nie gut umgehen, dachte Oskar schmunzelnd bei sich und schob unauffällig einen Zwanziger über den Tisch. »Eigentlich müsste ich dich ohnehin mal zum Essen einladen«, rieb er sich etwas unschlüssig am Ohr. »Dein Bericht über die Gerichtsverhandlung …«
»Hat gewirkt?«
»Und wie!« Lindt berichtete, was sich inzwischen in der Staatsanwaltschaft ereignet hatte.
»Mobbing als Kunst«, lachte Inka, als sie von den vergessenen Kopien erfuhr. »Da siehst du mal wieder, wozu wir Juristen fähig sind.«
»Manchmal, nur manchmal«, entgegnete der Kommissar. »Meistens zu allem fähig und zu nichts in der Lage.«
»Du hast mit eurem kleinen Staatsanwalt doch ein ganz gutes Verhältnis.«
»Conradi natürlich, der ist anders. Mensch geblieben. Aber die Übrigen …«
»Ob ich mal eine Extra-Reportage über die Arbeit der Staatsanwaltschaft …?«
»Bloß nicht. Die wittern sofort, woher die Insiderinformationen kommen.«
»Ab und zu bedaure ich, der Juristerei den Rücken gekehrt zu haben. Aber stell dir mal vor, ich wäre plötzlich als Staatsanwältin hier aufgetaucht und müsste dir Anweisungen geben.«
Lindt hob die Augenbrauen. »Schlimmer als mit der Eisernen hätte es wohl auch nicht werden können.«
Inka stopfte die Tüte mit den belegten Brötchen in den Rucksack und stand auf. »Vielleicht wäre es ja auch ganz schön geworden …«
Kurze Zeit später ertönte von draußen das tiefe Bollern eines kräftigen Zweizylinders.
Der Kommissar blieb noch eine Weile sitzen. Nachdenklich schlürfte er den Rest seines Milchkaffees aus, dann gab er sich einen Ruck und zahlte.
Draußen schlug er den Kragen hoch und suchte in den Jackentaschen nach seinen Handschuhen. Komisch, jetzt fröstelte ihn, obwohl er aus dem Warmen kam. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, mit dem Rad
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