Faeden des Schicksals
Als hätte er sie die ganze Nacht beansprucht.
„Machen Sie den Oberkörper frei, ich werde Sie abhören.“ Caitlyn nahm das Stethoskop zur Hand. Sie trat näher und er zog das T-Shirt hoch. Dann drehte er sich um.
Sie erstarrte. Ihr Körper begann zu zittern, sie wich zurück.
Flügel! Tätowierungen von Flügeln. Der ganze Rücken war damit überzogen.
Caitlyn schluckte. Das konnte nicht wahr sein.
Nun drehte er sich um, streifte sich die Haare aus dem Gesicht.
„Du trägst die Schuld daran“, zischte er.
„Was?“ Ihr Albtraum wurde wahr. Die Angst griff nach ihr wie eine eiskalte Hand, die ihr Herz zum Stillstand brachte. Er kam auf sie zu. Oh mein Gott, er kam auf sie zu!
Bei Caitlyn brannte eine Sicherung durch. Sie fuhr herum und stürmte auf die Tür zu. Ihre Finger griffen nach der Klinke, erwischten sie und sie fegte hinaus. Mit einer schwungvollen Bewegung warf sie die Tür knallend zu.
„Maggie, rufen Sie die Polizei!“, rief sie panisch und versuchte die Tür zuzuhalten.
„Miss?“, hörte sie nur die verwirrte Stimme der Sprechstundenhilfe.
„Tun Sie es, Maggie!“
Er versuchte die Türe von der anderen Seite aus zu öffnen. Er zog und zerrte an der Klinke, hämmerte wie wild dagegen, doch Caitlyns Angst verlieh ihr übermenschliche Kraft.
„Die Polizei ist schon hier!“ Der Ausruf ließ Caitlyn den Kopf ruckartig drehen.
Detective Bennett stand hinter ihr, hatte die Waffe gezogen.
„Was …?“ Sie starrte ihn einen Moment an. Dann spürte sie seine Hand über der ihren.
„Keine Sorge, ich habe alles unter Kontrolle.“ Er schob sie zur Seite und stieß die Tür ruckartig auf. Mit der Waffe zielte er systematisch in jede Ecke. Ein sichernder Blick in jeden Winkel, ein Schritt in den Raum, dann ließ er den Arm sinken.
„Es ist niemand hier.“
„ Wie bitte?“ Caitlyn kam die wenigen Schritte auf ihn zu, betrat das Zimmer und sah sich um. Eines der Fenster war offen, der Vorhang wehte sanft. Das konnte nicht wahr sein! Sie waren hier im zehnten Stock. Sofort lief sie hin und sah hinaus.
Nichts! Es befand sich kein aufgeschlagener Körper dort unten und die Fensterfassade bot zu wenig Möglichkeiten , um sich festzuhalten. Trotzdem sah sie nach oben. Wieder nichts!
Er war einfach verschwunden.
„Das … das kann nicht wahr sein“, flüsterte sie fassungslos.
„Miss White, was war los?“ Der Detective trat hinter sie, warf einen Blick aus dem Fenster und sah danach fragend zu ihr.
„Er war hier.“ Caitlyn war wie in Trance.
„Wen meinen Sie?“ Bennett hakte nach.
Einen Moment starrte sie nach draußen, drehte sich langsam um und ließ sich gegen die Wand sinken. Ihr Blick ging zur Tür, in der Maggie stand.
„Der Patient“, flüsterte sie abwesend. „Sie haben ihn auch gesehen, Maggie, nicht wahr?“
Ihre Angestellte legte den Kopf fragend zur Seite. Caitlyn ging einige schnelle Schritte zum Tisch und sah auf die Krankenakte. „Elion Haven.“
Ein zögerliches Nicken kam von Maggie. „Ja, ich habe ihn vorhin eingetragen, als er sich anmeldete.“
„Was ist mit ihm?“, mischte sich Bennett ein, der immer noch nichts zu verstehen schien.
„Er … er hatte … diese Tätowierung“, rückte Caitlyn heraus. Sie ließ sich auf ihren Stuhl sinken.
„Sind Sie sicher?“, Bennett nahm ihr gegenüber Platz.
„Das bin ich“, seufzte Caitlyn. „Maggie, bringen Sie uns bitte einen Kaffee?“
„Sicher doch.“ Ihre Angestellte verließ das Zimmer und schloss die Tür.
Bennett schwieg und gab ihr einen Moment , um sich zu fangen. Maggie brachte in der Zwischenzeit den Kaffee und verließ wortlos das Zimmer.
„Sie haben ihn also wiedererkannt.“ Er griff nach der Tasse.
„Ja“, brachte sie mühsam hervor. „Aber ich habe es erst bei der Tätowierung gemerkt.“
„Und sein Gesicht?“, fragte er weiter.
„Das … habe ich davor nie richtig gesehen. Darum …“ Sie schluckte und griff nach der anderen Tasse. Es war, als wollte sie sich damit in der Realität festhalten. „… darum hatte ich nicht gleich reagiert. Er … er kam einfach so an mich heran.“ Tränen stiegen in ihr auf. Die Angst überrollte sie. Was hätte alles geschehen können? Was wenn sie nicht bis zur Tür gekommen wäre, er hätte sie …
Sie brach ab. Tränen kullerten ihr über die Wangen. Schlagartig hatte sie Angst. Angst davor , dass sie vielleicht beinahe umgebracht worden wäre.
„Beruhigen Sie sich .“ Ein Seufzen erklang und Bennett rieb sich die
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