Fahr zur Hölle
stellte uns vor und hielt seine Marke ans Fliegengitter. Ohne sie anzusehen, trat Bradford einen Schritt zurück und öffnete die äußere Tür. Mir fiel auf, dass sie sich für unseren Besuch nicht herausgeputzt hatte. Sie trug Khaki-Shorts und eine karierte Baumwollbluse, und sie war barfuß.
Bradford führte uns durch einen Flur mit gerahmten Reisefotos und dann rechts durch einen Bogengang. Das Wohnzimmer hatte Leinenvorhänge, auf dem glänzenden Holzboden lag ein hellbrauner Uschak-Teppich. Der gemauerte Kamin war weiß getüncht, damit er zur Holztäfelung und den Bücherregalen passte.
»Bitte.« Bradford deutete auf ein Ledersofa.
Slidell setzte sich ans eine Ende, ich mich ans andere. Bradford setzte sich in einen Lehnsessel auf der anderen Seite eines Überseekoffers, der als Tisch diente.
Bevor Slidell etwas sagen konnte, fing Bradford schon an, Fragen zu stellen.
»Haben Sie Cindi gefunden?«
»Nein, Ma’am.«
»Ist sie tot?«
»Das wissen wir nicht.«
»Sind neue Informationen aufgetaucht?«
»Nein, Ma’am. Wir möchten Ihnen einfach ein paar Fragen stellen.«
»Wirkt nur irgendwie komisch. Nach so langer Zeit.« Bradford drehte den Oberkörper ein wenig zur Seite und zog die Füße unter den Hintern.
»Ja, Ma’am. Sie erinnern sich also noch an Cindi Gamble?«
»Natürlich. Sie war eine hervorragende Schülerin. Davon gab es viel zu wenige. Außerdem kannte ich sie vom STEM.«
»STEM?« Slidell zog sein Notizbuch aus der Tasche, blätterte mit befeuchtetem Zeigefinger zu einer leeren Seite und klickte einen Kuli an.
»Der Science, Technology, Engineering and Math Club. Cindi war da Mitglied. Ich war die Beratungslehrerin.«
»Wissen Sie noch, wann sie verschwand?«
Slidell wurde mit einem vernichtenden Blick hinter den Harry-Potter-Gläsern hervor bedacht.
»Ich nehme an, Sie wurden zu der Zeit befragt.«
»Kurz. Die Polizei verlor schnell das Interesse, weil ich ihr nicht viel sagen konnte.« Mit einem Finger schob Bradford sich die Brille auf der Nase hoch. Sofort rutschte sie wieder in die Furche zurück, in der sie zuvor gesessen hatte.
»Was haben Sie ihr gesagt?«
»Dass Cindi nicht mehr in die Schule kam.«
»Das ist alles?«
»Mehr wusste ich nicht.«
»Sprachen die Beamten auch mit anderen Lehrern?«
»Das nehme ich an. Sicher weiß ich es allerdings nicht.«
Während Slidell die Fragen stellte, beobachtete ich Bradford. Mir fiel auf, dass sie mit der rechten Hand ihren Fußknöchel sehr fest umklammert hielt. Die Frau versuchte es zwar zu verbergen, aber sie war nervös.
»Was ist mit Lovette?«
»Was soll mit ihm sein?«
»Kannten Sie ihn?«
»Ich hatte keinen persönlichen Kontakt mit Cale Lovette. Er war kein Schüler der L. A. Brown. Aber steht das alles denn nicht schon irgendwo? Genau diese Fragen habe ich doch bereits alle beantwortet.«
»Wussten Sie, dass Cindi mit Lovette ging?«
»Ja.«
»Redete sie je über ihn?«
»Nicht mit mir.«
»Wussten Sie von Lovettes Verbindungen zu einer Gruppe namens Patriot Posse?«
»Ich hatte Gerüchte darüber gehört.« Bradfords Blick schnellte zur Tür, als hätte ein Geräusch oder eine Bewegung sie aufgeschreckt.
»Waren die Schüler so drauf?«
»Wie drauf?«
Slidell starrte Bradford unbewegt an. Ich spürte seine Irritation.
»Machte Cindi je irgendwelche Bemerkungen, dass sie Schwarze oder Juden hasste? Homosexuelle?« Bei Slidell klang Letzteres wie zwei Wörter.
»Das hätte nicht zu ihrem Charakter gepasst.«
»Abtreibungsbefürworter? Die Regierung?«
»Ich glaube nicht.«
»Aber Sie wissen es nicht.« Slidell verlor allmählich die Geduld.
»Es ist traurig, aber wahr, Lehrer wissen sehr wenig über ihre Schüler. Über ihr Privatleben, meine ich. Außer ein Schüler entschließt sich, sich einem anzuvertrauen.«
»Was Cindi nicht getan hat.«
Bradford versteifte sich bei Slidells anklagendem Ton. Ich suchte ihren Blick. Verdrehte die Augen, um anzudeuten, dass ich seine Haltung auch ein wenig ungehobelt fand.
Slidell klopfte mit dem Stift auf seinen Block, ließ dabei aber Bradford nicht aus dem Blick. Sie wich ihm nicht aus.
Das Starrduell wurde unterbrochen von Slidells Handy. Er zog es vom Gürtel und schaute aufs Display.
»Muss da rangehen.«
Slidell stemmte sich hoch und schlenderte aus dem Zimmer.
Ich beschloss, meine Rolle als gute Polizistin weiterzuführen.
»Es muss schrecklich gewesen sein, eine Schülerin auf diese Art zu verlieren.«
Bradford nickte.
»Wurde in der
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