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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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dauern, aber ich schaffe es, oder Faber wird es für mich schaffen. Irgend jemand irgendwo wird mir wieder zu meinem früheren Gesicht und meinen früheren Händen verhelfen. Sogar das Lächeln, das alte eingebrannte Lächeln ist mir abhanden gekommen. Es fehlt mir sehr.
    Der Tunnel flog an ihm vorbei, gelbgekachelt, pechfinster, gelbgekachelt, pechfinster, Zahlen und Schwärze, noch mehr Schwärze und das Ganze in eins gerechnet.
    Einst als Kind hatte er auf einer gelben Düne am Meer gesessen, mitten an einem blauen und heißen Sommertag, und hatte sich abgemüht, ein Sieb mit Sand zu füllen, weil irgendein grausamer Erwachsener gesagt hatte: »Füll dieses Sieb, und du kriegst einen Groschen!« Je rascher er einfüllte, um so rascher rann es mit heißem Geriesel aus. Seine Hände waren müde, der Sand brannte, das Sieb war und blieb leer. Er saß da in der Sommerhitze und fühlte, wie ihm die Tränen lautlos übers Gesicht tropften.
    Wie nun die Sogbahn ihn ruckweise durch den toten Keller der Stadt beförderte, kam ihm die furchtbare Lehre Jenes Sommertags wieder in den Sinn, und er senkte den Blick und bemerkte, daß er die Bibel aufgeschlagen in der Hand hielt. Es fuhren noch andere im selben Wagen, aber er tat das Buch nicht weg und hatte plötzlich den törichten Einfall, wenn er rasch lese und alles lese, werde vielleicht etwas von dem Sand im Sieb bleiben. Er las, aber die Wörter rieselten durch, und er dachte, in ein paar Stunden stehst du vor Beatty und wirst das Ding aushändigen, kein Wort darf mir deshalb entgehen, jede Zeile muß im Gedächtnis haften. Ich will es selber schaffen.
    Krampfhaft hielt er das Buch zu ... Posaunen schmetterten.
    »Zanders Zahnpasta.«
    Schweig, dachte Montag. Schauet die Lilien auf dem Felde. »Zanders Zahnpasta.«
    Sie arbeiten nicht –
    »Zanders ...«
    Schauet die Lilien auf dem Felde, schweig doch, schweig! »Zahnpasta!«
    Er schlug das Buch auf und blätterte um, betastete die Seiten wie ein Blinder, faßte einzelne Buchstaben ins Auge, starren Blicks.
    »Zanders. Schreibt sich Z-A-N –«
    Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht ...
    Ein Geriesel heißen Sandes durch ein leeres Sieb. »Zanders wirkt Wunder!«
    Schauet die Lilien, die Lilien, die Lilien ... »Zanders Zahnpulver.«
    »Schweig, schweig, schweig!« Es war ein so flehentlicher Schrei, daß die Mitfahrenden ihn entsetzt anstarrten und vor dem Mann zurückwichen, der aufgesprungen war, dem Mann mit dem irren, verquollenen Gesicht, der Sinnloses hervorstieß und mit dem flatternden Buch fuchtelte. Die Mitfahrenden, die einen Augenblick vorher dagesessen und mit dem Fuß gewippt hatten, im Takt mit Zanders Zahnpasta, Zanders zauberhaftem Zahnpulver, Zanders Zahnpasta, Zahnpasta, Zahnpasta, eins zwei, eins zwei drei, eins zwei, eins zwei drei. Die Leute, denen das Zahnpasta Zahnpasta Zahnpasta um die Lippen gezuckt hatte. Als Vergeltung für Montags Gehaben spie nun der Lautsprecher fuderweise Musik aus, Musik aus Blech, Kupfer, Silber, Chrom und Messing. Die Leute wurden zermalmt, sie muckten nicht auf, sie konnten nicht davonlaufen; der Sogzug sauste durch den Schacht unter der Erde.
    »Lilien auf dem Felde.«
    »Zanders.«
    »Lilien, hab' ich gesagt!«
    Die Leute machten große Augen.
    »Holt den Zugführer.«
    »Der Mann ist wohl nicht ganz ...«
    »Knoll View!«
    Fauchend kam der Zug zum Stehen.
    »Knoll View!« Überlaut.
    »Zanders.« Ganz leise.
    Montag bewegte kaum die Lippen. »Lilien ...«
    Die Wagentür öffnete sich zischend. Montag erhob sich. Die Tür keuchte, begann sich zu schließen. Erst da drängte er sich mit einem Satz an den Mitfahrenden vorbei, innerlich laut schreiend, und zwängte sich im letzten Augenblick durch die fast geschlossene Schiebetür. Er lief durch die Tunnel, die weißgekachelten Stufen hinan, ohne die Rolltreppe zu beachten; er wollte Bewegung spüren in den Füßen, den schwingenden Armen, der keuchenden Lunge, ein Gefühl der bissigen Luft in der Kehle. Aus der Ferne hallte es ›Zanders Zanders Zanders‹, der Zug zischte wie eine Schlange und verschwand im Gestein.
     
    »Wer ist da?«
    »Montag.«
    »Was wünschen Sie?«
    »Lassen Sie mich ein.«
    »Ich habe nichts getan!«
    »Ich bin allein, verdammt noch mal!«
    »Können Sie das beschwören?«
    »Ich schwöre es!«
    Langsam ging die Haustür auf. Faber spähte durch den Spalt; er wirkte greisenhaft in dem Licht und äußerst zerbrechlich und verängstigt. Man hätte meinen können, er habe das Haus seit

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