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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Jahren nicht mehr verlassen; er hob sich kaum ab von den weißen Gipswänden drinnen. Er war weiß um den Mund und die Wangen herum, und seine Haare waren weiß und seine Augen verblaßt, mit Weißem in dem undeutlichen Blau. Dann fiel sein Blick auf das Buch, das Montag unter den Arm geklemmt trug, und er sah nicht mehr so alt aus und nicht ganz so zerbrechlich. Allmählich fiel die Furcht von ihm ab.
    »Verzeihen Sie. Man muß Vorsicht walten lassen.«
    Er verwandte keinen Blick von dem Buch unter Montags Arm. »Es ist also doch wahr.«
    Montag trat ein. Die Tür ging zu.
    »Nehmen Sie Platz.« Faber bewegte sich rückwärts, als fürchte er, das Buch könnte sich verflüchtigen, wenn er es aus den Augen lasse. Hinter ihm stand die Tür zu einer Schlafkammer offen, und in dieser Kammer lag auf einem Schreibtisch ein Gewirr von Maschinenteilen und Werkzeug verstreut. Montag sah es nur flüchtig, ehe Faber, durch seinen Blick aufmerksam geworden, sich umwandte und die Tür rasch zuzog und mit der Klinke in der zittrigen Hand stehenblieb. Unsicher sah er wieder zu Montag hin, der mit dem Buch auf dem Schoß Platz genommen hatte. »Das Buch, wo haben Sie ...?«
    »Ich habe es entwendet.«
    Zum erstenmal sah ihm Faber in die Augen. »Sie haben Mut.«
    »Nein«, wehrte Montag ab. »Meine Frau lebt nicht mehr lange. Eine Freundin von mir ist bereits tot. Jemand, mit dem ich mich hätte befreunden können, wurde verbrannt, es sind keine vierundzwanzig Stunden her. Sie sind der einzige, der mir helfen kann. Zu sehen. Zu sehen ...«
    Faber zuckte es in den Händen. »Darf ich?«
    »Ach so.« Montag reichte ihm das Buch.
    »Es ist lange her. Ich bin kein religiöser Mensch. Aber es ist schon lange her.« Er wendete die Seiten und las da und dort eine Stelle. »Es ist so gut, wie ich es in der Erinnerung hatte. Du meine Güte, was hat man im Fernsehfunk daraus gemacht! Christus gehört heute zur ›Familie‹. Ich frage mich oft, ob Gott seinen eigenen Sohn wiedererkannte in der heutigen Verkleidung. Er ist nachgerade ein richtiger Zuckerstengel, lauter Süßholz und Sacharin, wenn er nicht gerade verschleierte Andeutungen macht auf gewisse Fabrikate, die jeder Gläubige zu seinem Seelenheil unbedingt braucht.« Faber steckte die Nase ins Buch. »Wissen Sie, daß Bücher nach Muskatnuß oder nach sonstwelchen fremdländischen Gewürzen riechen? Als Junge habe ich immer gern daran geschnuppert. Gott, was gab es früher schöne Bücher, ehe wir davon abkamen.« Faber blätterte weiter. »Montag, Sie haben einen Feigling vor sich. Ich habe es kommen sehen, damals, vor langer Zeit, ohne aufzubegehren. Ich bin einer der Unbelasteten, die das Wort hätten ergreifen können, als man auf die ›Schuldigen‹ längst nicht mehr hörte, aber ich habe geschwiegen und bin so selber schuldig geworden. Und als man schließlich die Bücherverbrennung einführte, um die Feuerwehr zu beschäftigen, da habe ich mich murrend damit abgefunden; damals gab es nämlich schon niemand mehr, der mitgemurrt oder gar mitgeschrien hätte. Jetzt ist es zu spät.« Faber klappte die Bibel zu. »Nun – wollen Sie mir nicht sagen, was Sie hergeführt hat?«
    »Kein Mensch hört mehr auf den andern. Mit den Wänden kann ich nicht reden, denn sie schreien mich an. Mit meiner Frau kann ich nicht reden; sie hört den Wänden zu. Ich brauche einen Zuhörer für das, was ich zu sagen habe. Wenn ich lange genug rede, kommen vielleicht Sinn und Verstand hinein. Und ich möchte von Ihnen lernen, wie man mit Verständnis liest.«
    Faber musterte Montags schmales, blaubackiges Gesicht. »Wie ist denn das gekommen? Was hat Ihnen die Brandfackel aus der Hand geschlagen?«
    »Ich weiß es nicht. Wir haben alles, was wir brauchen, um glücklich zu sein, aber wir sind es nicht. Etwas fehlt. Ich habe mich umgesehen. Das einzige, von dem ich mit Bestimmtheit wußte, daß es uns abhanden gekommen ist, das sind die Bücher, die ich in den letzten zehn, zwölf Jahren verbrannt habe. So kam ich auf den Gedanken, es seien vielleicht die Bücher, die uns fehlen.«
    »Sie sind ein hoffnungsloser Schwärmer«, erwiderte Faber. »Es wäre komisch, wenn es nicht lebensgefährlich wäre. Was Sie brauchen, sind nicht Bücher, sondern einiges von dem, was einst in Büchern stand. Es könnte auch auf den Fernsehwänden stehen. Derselbe wache Sinn könnte sich auch durch Rundfunk und Fernsehfunk mitteilen, tut es aber nicht. Nein, nein, es sind nicht Bücher, was Sie suchen, Sie finden es

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