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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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lief Wasser. Er hörte, wie Mildred sich die Schlaftabletten in die hohle Hand schüttete.
    »Narr, Montag, Narr, Narr, o Gott, Sie einfältiger Narr ...«
    »Still!« Er zog die grüne Kapsel aus dem Ohr und stopfte sie in die Tasche.
    Sie summte leise weiter. »... Narr ... Narr ...«
    Er stöberte im Haus herum und fand die Bücher, die Mildred hinter dem Kühlschrank aufgestapelt hatte. Einige fehlten, und er wußte, daß sie angefangen hatte, den Sprengstoff in ihrem Haus langsam aber sicher zu beseitigen, Stück für Stück, aber er zürnte ihr nicht mehr, er war nur noch abgemattet und von sich selber befremdet. Schweigend trug er die Bücher hinters Haus und versteckte sie im Gebüsch, nahe am Gartenzaun. Nur für heute nacht, dachte er, falls ihr einfallen sollte, noch mehr davon einzuäschern.
    Dann kam er zurück und ging durchs Haus. »Mildred?« rief er unter der Tür des verdunkelten Schlafzimmers. Alles blieb still.
    Draußen, als er über den Rasen ging, zum Dienst, bemühte er sich, nicht zu sehen, wie dunkel und verlassen Clarisse McClellans Haus war.
    Unterwegs war er so allein mit der furchtbaren Dummheit, zu der er sich hatte hinreißen lassen, daß er der merkwürdigen Wärme und Güte bedurfte, die von einer vertrauten, sanften Stimme in der Nacht ausging. Ihm war, nach den paar Stunden, als kenne er Faber schon ein Leben lang. Er erkannte jetzt, daß er zweierlei war, daß er vor allem Montag war, der nichts wußte, nicht einmal, daß er selber ein Narr war, nur eine dunkle Ahnung davon hatte. Und er erkannte, daß er auch der alte Mann war, der unablässig zu ihm sprach, während der Zug vom einen Ende der nächtlichen Stadt zum andern gesaugt wurde, in einer unaufhaltsamen, widerlich japsenden Fortbewegung. Er wußte, die kommenden Tage hindurch und während der Nächte, da der Mond nicht schien, und während der Nächte, da ein sehr heller Mond auf die Erde herabschien, würde der Alte immer weiter reden und reden, Tropfen um Tropfen, Korn um Korn, Flocke um Flocke. Und schließlich, dessen versicherte ihn der Alte, würde er innerlich überfließen, und dann war er nicht mehr Montag, dann war er Montag und Faber vereint, Feuer und Wasser, und zu guter Letzt, nachdem alles gärend durcheinandergekommen und in der Stille verarbeitet worden war, dann gab es weder Feuer noch Wasser, dann war es Wein. Aus zwei getrennten und entgegengesetzten Dingen ein drittes. Und eines Tages würde er den Narren, den er hinter sich gelassen, als solchen erkennen. Schon jetzt ahnte er, daß er den langen Weg angetreten hatte, daß er im Begriff war, sich von dem, was er bisher gewesen, zu lösen und zu entfernen.
    Es war wohltuend, dem Käfergesumm, dem schläfrigen Mückensirren und hauchfeinen Raunen des Alten zuzuhören, der ihn zuerst ausschalt und dann tröstete, als er spätnachts aus dem dampfenden Schacht unter der Erde an die Welt der Feuerwache auftauchte.
    »Mitleid, Montag, Mitleid. Nörgeln Sie nicht an den andern herum, es ist noch nicht lange her, daß Sie selber zu ihnen gehört haben. Alle sind überzeugt, daß es ewig so weitergehen wird. Aber es wird nicht ewig so weitergehen. Niemand bedenkt, daß dies nur ein einziger, großer, glühender Meteor ist, dessen Feuerschein sich im Weltraum hübsch ausnimmt, der aber eines Tages unweigerlich aufprallen muß. Die meisten sehen nur den hübschen Feuerschein, wie Sie früher auch.
    Montag, alte Leute, die hinter dem Ofen ängstlich ihre brüchigen Knochen schonen, haben kein Recht, andere zu bemängeln. Aber Sie waren nahe daran, die Sache von vornherein zu verpfuschen. Vorsicht! Vergessen Sie nicht, daß ich bei Ihnen bin. Ich begreife ja, wie es dazu kommen konnte, und ich muß sagen, Ihr Wutausbruch hat mich geradezu verjüngt. Doch jetzt möchte ich, daß Sie sich alt vorkommen, ich möchte, daß Sie sich etwas von meiner Zaghaftigkeit aneignen. Wahren Sie Abstand, die nächsten paar Stunden, wenn Sie mit Beatty zusammen sind. Lassen Sie mich hören, was er zu sagen hat, lassen Sie mich die Lage erkunden. Am Leben bleiben ist jetzt alles. Vergessen Sie die dummen Frauen, die armen ...«
    »Ich habe sie so elend gemacht, wie sie wohl schon lange nicht mehr waren«, sagte Montag. »Es gab mir einen Stich, als Frau Phelps zu weinen begann. Vielleicht haben sie recht, vielleicht ist es am besten, man sieht den Tatsachen nicht ins Gesicht und macht den Bumsbetrieb mit. Ich weiß nicht, ich habe ein schlechtes Gewissen ...«
    »Nein, das dürfen

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