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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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ja.«
    Seine Lippen folgten denen Fabers.
    »Ja.«
    Lachend riß ihm Mildred das Buch aus der Hand. »Hier, lies das da. Nein, wart mal. Hier ist doch das komische Gedicht, das du heute vorgelesen hast, zum Piepen! Meine Lieben, ihr werdet kein Wort davon verstehen. Es geht so – pam, pabam, pabam. Los, Guy, diese Seite da.«
    Er betrachtete die aufgeschlagene Seite.
    Im Ohr das Flügelschlagen einer Fliege. »Lies.«
    »Wie heißt der Titel, Liebling?«
    »Doverstrand.« Seine Lippen waren wie tot.
    »Also, lies vor, hübsch deutlich und langsam.«
    Im Zimmer herrschte eine Gluthitze, ihm war bald schwül, bald kühl; sie saßen mitten in einer Wüste auf drei Stühlen, und er stand schwankend da und wartete, bis Frau Phelps fertig war mit dem Zurechtzupfen ihres Kleidersaums und Frau Bowles mit dem Befingern ihrer Haartracht. Dann begann er zu lesen, mit einer leisen und holprigen Stimme, die von Zeile zu Zeile fester wurde, und seine Stimme tönte über die Wüste hin, in die grelle Helligkeit hinein und um die drei Frauen herum, die da in der glühenden Einöde saßen.
     
    Des Glaubens Meer
    Umschloß vordem, als noch die Fluten schwollen,
    Der Erde Ufer wie ein lichter Gürtel.
    Doch heute hör
    Ich nur sein traurig fernab weichend Grollen,
    Das bang verhält
    Des Nachtwinds Hauch; nackt liegt und leer
    Das Steingeröll am Strand der Welt.
     
    Die Stühle ächzten unter den drei Frauen.
    Montag las das Gedicht zu Ende:
     
    Ah, Liebste, laß uns treu
    Einander sein! Weil ja die Welt, die nun
    Gleich einem Traumland scheint vor uns zu ruhn,
    So mannigfalt, so schön, so neu,
    In Wahrheit weder Lust noch Lieb noch Halt
    Noch Frieden hat, noch Schirm vor Arg und Wehn,
    Und wir hier wie auf dunklem Felde stehn,
    Wo nächtens wirres Kampfgetöse schallt
    Und sinnlos Heerbann gegen Heerbann prallt.
     
    Frau Phelps weinte vor sich hin.
    Die andern mitten in der Einöde sahen zu, wie ihr Weinen lauter wurde und ihr Gesicht aus der Form geriet. Sie saßen da, ohne sie anzurühren, befremdet von dieser Schaustellung, diesem fassungslosen Schluchzen. Montag selber war betroffen und innerlich aufgewühlt.
    »Sch, sch!« beschwichtigte Mildred. »Jetzt geht's wieder, Klara, nicht wahr, Klara, gehab dich doch nicht so! Klara, was fehlt dir denn?«
    »Ich – ich«, schluchzte Frau Phelps, »weiß nicht, weiß nicht, ich weiß wirklich nicht, oh, oh ...«
    Frau Bowles erhob sich und funkelte Montag an. »Sehen Sie! Ich hab's ja gewußt, ich wollte nur die Probe aufs Exempel machen. Ich wußte, daß es so kommen würde. Gedichte und Tränen, habe ich schon immer gesagt, Gedichte und Selbstmord und Weinkrämpfe und Elend, Gedichte und Krankheit; alles nur Gefühlsduselei. Jetzt sehen wir es bestätigt. Sie sind ein Unflat, Herr Montag, Sie sind ein Unflat!«
    Faber sagte: »Jetzt ...«
    Wie von selber kehrte sich Montag ab und ging zum Einwurf an der Wand und ließ das Buch hineinfallen in die wartenden Flammen.
    »Sinnlose Worte, sinnlose Worte, sinnlose quälende Worte«, schalt Frau Bowles. »Warum brauchen die Menschen einander zu quälen? Als ob es nicht genug Quälerei gäbe auf der Welt, muß man den Leuten noch mit dergleichen zusetzen?«
    »Klara, bitte, bitte«, sagte Mildred und zog sie am Arm.
    »Komm, wir wollen wieder lachen, du darfst jetzt die ›Familie‹ anstellen. Mach schon, wir freuen uns darauf. Hör bitte auf zu weinen, jetzt machen wir wieder Betrieb.«
    »Nein«, erklärte Frau Bowles. »Ich trabe hübsch fein nach Hause. Wenn ihr mich und meine ›Familie‹ besuchen wollt, gut und schön, aber in dieses Tollhaus setze ich keinen Fuß mehr!«
    »Gehen Sie nur.« Montag ließ seinen Blick auf ihr ruhen. »Gehen Sie nach Hause und denken Sie an Ihren ersten Mann, der sich scheiden ließ, und an Ihren zweiten Mann, der mit einem Rennwagen verunglückte, und an Ihren dritten Mann, der vielleicht schon im Kugelregen steht, gehen Sie nach Hause und denken Sie an das Dutzend Abtreibungen, die Sie gehabt haben, gehen Sie und denken Sie daran, und auch an Ihren verdammten Kaiserschnitt und an Ihre Kinder, denen Sie verhaßt sind wie Gift und Galgenholz. Gehen Sie nach Hause und denken Sie daran, wie alles gekommen ist, und was haben Sie getan, es zu verhindern? Gehen Sie! Gehen Sie!« schrie er. »Bevor ich mich an Ihnen vergreife und Sie mit einem Tritt an die Luft setze!«
    Türen knallten zu, und das Haus war leer. Montag stand allein im Winterwetter, in den vier Wänden wie Schneematsch.
    Im Badezimmer

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