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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Sie nicht sagen! Wenn nicht Krieg wäre, wenn Frieden herrschte auf der Welt, dann würde ich sagen, schön, macht Betrieb! Sie dürfen nicht einfach wieder ein Feuerwehrmann sein, Montag. Es steht nicht zum besten mit der Welt.«
    Montag trat der Schweiß auf die Stirn.
    »Hören Sie zu, Montag?«
    »Meine Füße«, stöhnte Montag, »sie lassen sich nicht mehr bewegen. Das ist doch zu dumm. Meine Füße wollen nicht mehr.«
    »Sachte, sachte«, mahnte der Alte. »Hören Sie zu. Ich weiß, wie Ihnen zumute ist. Sie haben Angst, fehlzugehen. Nur keine Angst! Fehler sind dazu da, daß man Nutzen daraus zieht. Mensch, als ich noch jung war, habe ich meine Ahnungslosigkeit den Leuten förmlich um die Ohren geschlagen. Natürlich habe ich dafür Prügel bezogen. Und im Laufe der Zeit ist meine Waffe dabei immer schärfer geworden. Wenn man seine Unwissenheit sorgsam verbirgt, kriegt man keine Schläge und lernt nie zu. Los jetzt, auf die Beine, und ab mit Ihnen zur Feuerwache! Wir sind Zwillinge, wir sind nicht mehr jeder für sich, nicht mehr im Raum geschieden, ohne Fühlung zu haben. Wenn Sie Hilfe brauchen, während Beatty an Ihnen herumstochert, sitze ich hier daneben, in Ihrem Trommelfell, und mache mir Notizen.«
    Unwillkürlich bewegte sich Montags rechter Fuß, dann sein linker.
    »Faber«, sagte er, »bleiben Sie bei mir.«
    Der Mechanische Hund war weg. Seine Hütte stand leer, und im ganzen Gebäude herrschte Stille; der Feuersalamander schlief, die Flammenwerfer auf den Flanken verschränkt, den Bauch voll Kerosin. Montag schritt durch die Stille und berührte die Messingstange und glitt im Dunkeln hinauf, mit einem Blick zurück auf die verlassene Hütte, während sein Herz einen Schlag oder zwei aussetzte. Faber war vorläufig ein grauer Falter, der in seinem Ohr schlummerte.
    Beatty stand an der Fallöffnung und wartete, kehrte ihm aber den Rücken zu, als warte er nicht.
    »Kinder«, sagte er zu den Kartenklopfern, »hier kommt ein wunderlich Wesen, in allen Sprachen Narr geheißen.«
    Er streckte die Hand zur Seite, wie um ein Almosen zu heischen. Montag tat das Buch hinein. Ohne auch nur nach dem Titel zu sehen, warf es Beatty in den Papierkorb und steckte sich eine Zigarette an. »›Wer halb gebildet, ist der schönste Narr.‹ Willkommen, Montag. Hoffentlich bleibst du bei uns, nachdem du jetzt ausgefiebert und die Krankheit überstanden hast. Wie wär's mit einer Partie Poker?«
    Sie setzten sich hin, und die Karten wurden ausgeteilt. In Beattys Gegenwart war sich Montag seiner Hände überdeutlich bewußt. Sie hatten sich schuldig gemacht und fanden nun keine Ruhe, mußten immer etwas zu tun haben oder versteckten sich in den Taschen, um sich Beattys Blick zu entziehen, der wie eine Stichflamme brannte. Ihm war, Beatty brauche sie nur anzuhauchen, und sie würden verdorren, absterben; für den Rest seines Lebens wären sie dann in den Rockärmeln vergraben und vergessen. Denn diese Hände hatten sich selbständig gemacht, gehörten nicht mehr zu ihm, in ihnen hatte sich sein Gewissen zum erstenmal geregt, um Bücher beiseite zu schaffen, mit Hiob und Ruth und Willie Shakespeare das Weite zu suchen, und nun, auf der Feuerwache, kam es ihm vor, diese Hände seien in Blut getaucht.
    Zum zweitenmal im Laufe einer halben Stunde mußte Montag vom Spiel aufstehen, um draußen die Hände zu waschen. Als er wieder hereinkam, barg er sie unter dem Tisch.
    Beatty lachte. »Halte deine Hände, wo wir sie sehen können, Montag. Nicht daß wir dir mißtrauten, verstehst du, aber ...«
    Allgemeine Heiterkeit.
    »Nun«, meinte Beatty, »die Krise ist überwunden und alles wieder in bester Ordnung; das verlorene Schaf kehrt in den Pferch zurück. Wir sind alle mal auf Abwege geraten. Die Wahrheit bleibt die Wahrheit, bis ans Ende der Welt, haben wir behauptet. Nie ist allein, wer mit erhabenen Gedanken umgeht, haben wir uns eingeredet. ›O süße Speise, Erkenntnis, süß verkündet‹, wie Sir Philipp Sidney sagte. Doch andererseits: ›Wie Laub sind Wörter; wo's besonders dicht, es meist an Früchten oder Sinn gebricht.‹ Alexander Pope. Was hältst du von diesem Spruch?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Vorsicht«, raunte Faber, aus einer andern Welt heraus, weit weg.
    »Oder von diesem: ›Ein bißchen Bildung rächt sich manchmal schnell. Trink lieber gar nicht vom kastalischen Quell; er steigt zu Kopf dir, nippst du bloß daran. Und nüchtern wird, wer was vertragen kann.‹ Pope. Aus demselben Essay. Zu welchen

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