Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
Vom Netzwerk:
Dann trat er hinaus, zog behutsam die Tür zu und schritt in die Dunkelheit hinein und stand schließlich wieder am Rand der leeren Straße.
    Da lag sie, ein Spiel, das er gewinnen mußte, in der taufrischen Frühe, blitzblank wie eine Arena zwei Minuten vor dem Auftreten namenloser Opfer und unbekannter Totschläger. Die Luft über dem mächtigen Betonbett flirrte einzig und allein von Montags Körperwärme; es war nicht zu glauben, wie deutlich er die ganze Umwelt von sich allein in Schwingungen versetzt fühlte. Er bildete eine schimmernde Zielscheibe, er wußte es, er spürte es. Und nun mußte er seinen Gang antreten.
    Drei Häuserblocks entfernt funkelten Scheinwerfer auf. Montag holte tief Atem. Seine Lungen waren wie brennendes Gestrüpp in seiner Brust, der Mund war vom Laufen ganz trocken. Im Hals hatte er ein würgendes Gefühl und in den Füßen verrostetes Schrotteisen.
    Und die Scheinwerfer dort? Wenn er einmal angefangen hatte zu gehen, mußte er abschätzen, wie schnell der Wagen hier sein konnte. Nun, wie weit war es bis zur andern Bordkante? Ungefähr hundert Meter, schien es ihm. Wahrscheinlich nicht ganz so viel, aber er wollte es einmal annehmen, wollte annehmen, daß er bei langsamem Gehen, bei ganz gemütlichem Schlendern, bis zu dreißig, vierzig Sekunden brauchen würde, um die Strecke zurückzulegen. Der Wagen? Einmal in Fahrt, konnte er in fünfzehn Sekunden hier sein. Also, selbst wenn er halbwegs drüben anfing zu laufen ...
    Er setzte den rechten Fuß hinaus und dann den linken Fuß und dann den rechten. Er schritt auf der leeren Straße.
    Auch auf einer vollkommen leeren Straße war es natürlich nicht sicher, daß man ungeschoren hinüberkam; ein Wagen konnte vier Blocks weiter weg auftauchen und heran und vorüber sein, ehe man ein Dutzend Atemzüge getan hatte.
    Er verzichtete darauf, seine Schritte zu zählen und schaute weder nach rechts noch nach links. Das Licht der Bogenlampen über ihm kam ihm so hell und verräterisch vor wie die Mittagssonne und genauso heiß.
    Er hörte nicht hin, wie der Wagen zwei Blocks zu seiner Rechten die Geschwindigkeit steigerte. Die beweglichen Scheinwerfer begannen auf einmal hin und her zu zucken und nach Montag zu haschen.
    Nur weitergehen.
    Montag wurde unsicher, hielt krampfhaft die Bücher fest und zwang sich, nicht zu erstarren. Unwillkürlich machte er ein paar schnellere Schritte, redete dann laut mit sich selber und fiel wieder in den schlendernden Gang zurück. Er hatte ungefähr die Hälfte des Fahrdamms hinter sich, aber das Dröhnen der Motoren tönte immer höher, je schneller sie liefen.
    Die Polizei, klar. Man hat mich gesichtet. Nur langsam jetzt, langsam, bedächtig, dreh dich nicht um, wirke unbekümmert. Geh zu, das ist's, geh ruhig zu.
    Der Wagen kam rasch näher. Der Wagen dröhnte. Der Wagen beschleunigte die Geschwindigkeit noch. Der Wagen gab schon einen ganz hohen Ton, immer lauter und noch höher. Der Wagen kam herangeflitzt, in einer pfeifenden Bahn, aus unsichtbarem Rohr geschossen. Er war auf hundertachtzig Stundenkilometer. Er war auf zweihundert Kilometer. Montag biß auf die Zähne. Ihm war, die Hitze der rasenden Scheinwerfer senge ihm die Wange, lasse seine Augenlider flattern und treibe ihm den Schweiß aus allen Poren.
    Er begann wie ein Schwachsinniger zu schlurfen und mit sich selbst zu reden, und dann auf einmal rannte er einfach los. Er nahm so lange Schritte, wie er nur konnte, möglichst lange Schritte, möglichst lange. Verflucht noch mal! Ein Buch entfiel seiner Hand, er stockte, machte beinahe kehrt, besann sich eines andern, strebte weiter, schreiend in der steinernen Leere, der Wagen machte Jagd auf die flüchtende Beute, war siebzig, war fünfunddreißig Meter entfernt, dreißig, fünfundzwanzig, zwanzig, Montag keuchte, holte aus mit den Armen, mit den Beinen, immer näher, ein Tuten, ein Rufen, seine Augen weißglühend, als er jetzt mit einem Ruck den Kopf nach dem grellen Schein wandte, der Wagen war schon von seinem eigenen Licht verschluckt, war nur noch eine Brandfackel, die auf ihn zugeschleudert kam; ein einziges blendendes Getöse. Jetzt – ihm fast auf dem Leib.
    Er stolperte und schlug hin.
    Jetzt ist es geschehen! Ich bin erledigt!
    Aber das Hinfallen machte etwas aus. Im Augenblick, ehe er ihn erreichte, drehte der rasende Wagen ab. Er war vorüber. Montag lag flach auf dem Gesicht. Gelächter kam mit dem blauen Auspuff vom Wagen hergeflattert.
    Seine rechte Hand lag nach vorn

Weitere Kostenlose Bücher