Fahrstunde in den Tod (Emsland-Krimi) (German Edition)
bei Heydt, hier in Haselünne. Als Bürokauffrau. Nach der Ausbildung
wurde sie dort übernommen.« Sie setzte sich aufrecht hin und schlug die Beine
übereinander. Dann ließ sie den Rosenkranz in ihrer Hosentasche verschwinden.
»Frau
Becker, wo könnte sich Ihre Tochter jetzt aufhalten?«
»Sie
haben mir noch gar nicht gesagt, warum Sie Corinna suchen. Weil sie aus dem
Krankenhaus verschwunden ist? Ich weiß, dass Sie sich schon in der Fahrschule
mit ihr unterhalten haben. Worum geht es überhaupt?«
Petra
überlegte, wie sie es ihr schonend beibringen könnte und suchte nach den
passenden Worten. In ihrer Laufbahn war es das erste Mal, dass sie einer Mutter
mitteilen musste, dass ihre Tochter eine mutmaßliche Mörderin ist.
»Kannten
Sie Gerd Schuster?«, begann sie.
»Ja.
Gott hat ihn zu sich gerufen«, sie bekreuzigte sich und schaute auf den Altar.
»Wissen
Sie auch, wie er gestorben ist?«, fragte sie weiter und überlegte sich die
nächsten Worte.
»Es
stand in der Zeitung. Er ist ermordet … « Sie
stockte mitten im Satz und wurde kreidebleich.
»Hat
Corinna was damit zu tun? Ist sie … « Frau
Becker stand auf und schritt durch das Zimmer. Dann blieb sie vor dem Altar
stehen und ging in die Knie.
»Lieber
Gott! Bitte! Lass das nicht wahr sein!«, flehte sie und blickte in Richtung Zimmerdecke.
Winkler und Petra Vogt ließen die Frau gewähren. Frau Becker verharrte ein paar
Minuten kniend und mit den Händen vor dem Gesicht still betend. Dann erhob sie
sich und durchschritt den Raum.
»Ja,
es stimmt«, sagte Dennis Winkler, »wir suchen Ihre Tochter im Zusammenhang mit
dem Tode von Gerd Schuster. Sie hat gegenüber einer Krankenschwester erzählt,
dass sie ihn getötet hat. Sie hat auch erzählt, dass Gerd Schuster der Vater
des Kindes sei. Das alles ist bisher noch nicht bestätigt, aber wir müssen der
Sache natürlich nachgehen.«
Sie
schüttelte den Kopf, konnte nicht glauben, was ihr erzählt wurde, und schritt
weiter durch das Wohnzimmer. Vier Schritte geradeaus, Wendung und vier Schritte
zurück. Vier Polizistenaugen folgten ihren Bewegungen.
»Ich
habe Corinna im christlichen Glauben unserer Kirche erzogen. Sie würde niemals
einen Menschen töten, unmöglich. Und Schuster soll der Vater sein?« Sie lachte
höhnisch und schüttelte immer noch den Kopf, hob ihre Stimme: »Seit dem Tod
ihres Vaters vor dreizehn Jahren habe ich mich fast täglich um sie gekümmert,
keinen an sie herangelassen. Ich habe das Böse von ihr ferngehalten!«
Winkler
beobachtete ihre Reaktion, für sie muss gleich der Himmel einstürzen und die
Welt zusammenbrechen, dachte er. Ihm war in den letzten Minuten einiges klar
geworden. Corinna lebte hier wie in einem Kloster. Seit dreizehn Jahren wie
eine Gefangene behandelt und manipuliert durch die fanatisch fromme Mutter. Das
musste ja schieflaufen.
»Dürfen
wir mal in das Zimmer Ihrer Tochter? Vielleicht finden wir Hinweise darauf, wo
sie sich jetzt aufhält.« Petra Vogt war aufgestanden und hatte sich ihr in den
Weg gestellt. Die beiden Frauen sahen sich herausfordernd an.
»Ja.
Folgen Sie mir«, antwortete sie knapp.
Ungläubig
starrte Dennis Winkler auf ein Foto, das auf dem penibel gesäuberten
Schreibtisch in Corinnas Zimmer stand. Er nahm es hoch und reichte es an Petra
weiter. Die zog erstaunt die Augenbrauen hoch; das Mädchen hatte sich völlig
verändert. Sie hatte nun nicht nur eine blonde Haarfarbe, sie sah ganz anders
aus.
»Das
ist Corinna?«, fragte sie Frau Becker.
»Ja,
das war sie mal«, antwortete sie langsam und zog die Stirn in Falten.
Petra
bemerkte den Zorn in ihrer Antwort. Sie stellte das Foto zurück.
»Sie
hat sich seit der Fahrschulzeit total verändert. Nicht nur ihr Aussehen. Auch
zur Heiligen Messe ist sie nur noch wenig gegangen. Und seit sie das Handy hat,
war es ganz um sie geschehen. Wie kann ein Mensch sich nur so schnell ändern?«
»Frau
Becker, die Frage müssen Sie sich selbst beantworten. Darf ich mir den
Schreibtisch genauer ansehen?« Ohne auf die Antwort zu warten, zog sie die
Schublade auf.
Winkler
suchte im Bücherregal nach Hinweisen. Er konnte es nicht glauben, was er sah.
Hauptsächlich Bücher von Heiligen, kirchliche Schriften, die Bibel in mehreren
Sprachen. Nichts von den Dingen, die seine Töchter interessierten oder lasen.
Alles, was sie hier vorfanden, passte nicht zu einer Fünfundzwanzigjährigen.
Schon gar nicht zu der Frau, die er in der Fahrschule kennengelernt hatte.
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