Fahrt ohne Ende
ganze Nacht!«
So kam es denn auch. Sie warfen die Zeltbahnen über und machten die Windjacken dicht. Aber gegen diese Wolkenbrüche, die jetzt über sie herfielen, half das wenig. Nach einer Stunde waren sie vollkommen naß. Es ging zudem noch steil bergauf, der Weg glich einem reißenden Bach, der Regen schwemmte Schlamm, Lehm und Steine den Weg mit herunter. Die Jungen mußten höllisch aufpassen, daß sie nicht irgendwo im Schlamm steckenblieben oder über die glitschrigen Steine stolperten. Sie sprachen kein überflüssiges Wort mehr. Das geht einfach nicht so weiter, — aber es ist ja keine Behausung in der Nähe —, dachte Jürgen.
»Gib mir deinen Affen her, Wolf, wir müssen durch und hinüber zur Straße.«
»Nein, laß, es geht schon.«
»Komm, keine Umstände, ein anderer hätte schon längst gestreikt an deiner Stelle. Du mußt meine Klampfe statt dessen tragen.«
Nach einer halben Stunde ließ Wolf keine Ruhe mehr: er mußte den Affen wiederhaben. Und nach einer weiteren halben Stunde eines tollen Marsches durch den klatschenden Regen und über völlig aufgelöste Wege erreichten sie das, was Jürgen im stillen schon beinah nicht mehr zu erreichen glaubte: die Straße.
»Wenn ich nicht zu kaputt wäre, würd‘ ich einen Freudentanz auf führen.«
»Dazu hättest du auch Grund, wir haben nämlich mehr Glück als Verstand gehabt, daß wir doch noch hier ‘raus gekommen sind.«
Hundert Meter weiter stand an der Straße eine Scheune, da stapften sie hinein, warfen die nassen Sachen ab und kuschelten sich in das Stroh.
»Gute Nacht, Wolf«, und Jürgen gab ihm die Hand.
»Gute Nacht, Jürgen, das war einfach toll und fein, dieser Nachtmarsch, trotz allem.«
Als es hell wurde, krochen die beiden Jungen aus dem Stroh in ihre immer noch etwas feuchten Sachen und begannen den Tramp. Es war noch nicht viel los auf der Straße, aber dann brauste ein Pkw. heran, nur der Fahrer, saß darin, Jürgen winkte.
»Mensch, der hält ja... Dürfen wir mitfahren? Bis zum Abzweig nach Freiburg ‘runter? Ist ja prima!«
Wie sie im Wagen über die Straße glitten, sagte Wolf noch zu Jürgen:
»Heute mittag sind wir bei den anderen«, dann lehnte er den Kopf an Jürgens Schulter und schlief sofort. Jürgen sah in sein Gesicht: die Haare hingen wirr in die Stirn, und das Gesicht schaute ein bißchen schmutzig aus, aber — sehr glücklich!
* * *
Eine Woche war die Gruppe nun schon hier im nordöstlichen Schwarzwald. Sie hatten einen fabelhaften Kothenplatz, sie waren auf Wildstreife gegangen, hatten viel im Walde herumgetollt, gespielt und im Bach gebadet; des Abends hatten sie viel erzählt und noch mehr gesungen. Am Sonntag hatte Pits Onkel den Wagen angespannt und sie alle zur Messe ins Nachbarstädtchen gefahren, nur Gert war als Lagerwache zurückgeblieben, vor allem deshalb, weil er sein weißes Festhemd natürlich schon in der Woche angezogen und prompt zerrissen hatte, jetzt mußte er nachher das von Pit anziehen und dann mit einem Fahrrad, von »ihrem« Hof geliehen, zum Hochamt fahren.
Am Nachmittag dieses Sonntags wurden Pit und Kostja, als sie unten im Tal dem Lauf des Baches nachgingen, von Jungen eines HJ.-Lagers entdeckt, das dort gerade aufgeschlagen worden war.
Die HJ.-Jungen wunderten sich ein bißchen über Pits und Kostjas »komische« blaue Kluft, hielten sie aber doch für HJ. Die beiden mußten mit ins Lager, besahen sich alles und mußten schließlich auch noch versprechen, daß sie des Abends mit der ganzen Gruppe Besuch im Lager machen würden.
»Was Jürgen wohl dazu sagt«, meinte Pit auf dem Rückweg zur Kothe ein wenig besorgt. Aber Jürgen fragte nach dem Alter des Führers und sagte dann nach einigem überlegen ja.
Als sie des Abends in das HJ.-Lager kamen, mußten sie zuerst sehr ausgiebig Kakao trinken. »U-hm. Der ist besser als unserer«, stellte Wolf fest, »aber was habt ihr Pullen bloß für ein sonderbares Feuerchen da? Soll das etwa ein Lagerfeuer sein? Prädikat: mangelhaft!«
Wolf und Kostja behoben diesen Mangel dann. Zunächst zog man nachher miteinander so etwas wie Lagerzirkus auf. Nachdem sie sich ausgetobt hatten und entsprechend ruhig waren, sangen sie. Die HJ.-Gruppe gab zuerst mit mehr oder weniger feierlichen Gesichtern ein »nationales Kampflied« zum besten. Jürgen und die anderen Neudeutschen machten ein krampfhaft ernstes Gesicht, Wolf und Klaus grinsten unverhohlen.
»Ihr könnt sicher nicht viel Lieder, wenn ihr dies nicht mal
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