Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fahrt ohne Ende

Fahrt ohne Ende

Titel: Fahrt ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Klönne
Vom Netzwerk:
durch Schwaben und dann durchs Hessische nach Haus.

    »Die Jungen von Alf, die könnten wir allesamt in unserer Gruppe gebrauchen«, äußerte sich Wolf ein paar Tage später einmal. Ein größeres Lob hatte er nicht zu vergeben.
     
    Im Anfang der letzten Fahrtenwoche steckte die Gruppe in Südhessen. Sie hatten eigentlich noch einen oder gar mehrere Tage in der nahen Großstadt bleiben wollen, aber dort herrschte eine zu bedrückende Atmosphäre. Die politische Lage war schon seit Wochen gespannt. In der Stadt riefen die Zeitungsjungen: »Extraausgabe... Extraausgabe! Polenkrise verschärft!« Und selbst im kleinsten Dorf redeten die Leute nur noch vom Krieg.
    Wenn Jürgen irgendwo zwei Jungen zum Einkäufen losschickte, berichteten sie nachher fast immer: »Du, und dann hat‘ die Frau in dem Laden noch lange ‘rumgeredet, von wegen, wir sollten bloß schnell nach Hause fahren, es gäb‘ doch Krieg, und so. Was die Leute um uns besorgt sind, Mensch...; aber laß man, auf diese Weise haben wir jedenfalls noch ein Pfund Äpfel umsonst dazubekommen!«
    Mit den Äpfeln, das war ein schlechter Trost, dachte Jürgen. Aber er sagte es nicht. Die Boys sollten nicht merken, daß ihre Fahrt nur um Haaresbreite einem etwas fluchtartigen Ende entging. Zum Trampen suchte Jürgen nach Möglichkeit abkürzende Nebenstraßen aus. Denn auf den Hauptverkehrsstraßen rollten pausenlos die Fahrzeuge der Wehrmacht. Jürgen hatte schon hin und her überlegt, ob er nicht die Fahrt abbrechen und mit der Gruppe per Zug nach Haus fahren sollte. Aber erstens hatten sie gar nicht so viel Geld (was zur Not hätte überwunden werden können) und zweitens: er wollte es einfach nicht. Und das war ausschlaggebend.
    Er bereute diese Entscheidung nachher nicht, denn die letzten Tage der Fahrt waren trotz allem »einfach phantastisch«, wie das Gruppenschlagwort jetzt hieß. Zuerst war diese Vokabel ein Privileg Pits, mit der Zeit jedoch fand jeder alles, vom Apfelreis, den sie kochten, bis zu dem neuen Lied, das Jürgen ihnen beibrachte, »einfach phantastisch«. Zum größten Ärger Pits natürlich, der krampfhaft auf der Suche nach einem neuen, besseren Schlagwort war.
    Einmal allerdings ließ die meisten Jungen ihre gute Laune etwas im Stich. Da tippelten sie nämlich schon seit dem frühen Morgen eine ziemlich öde Landstraße lang. Es war drückend heiß, Schatten war kaum vorhanden, von Wald war keine Spur zu sehen, von einem vernünftigen Bach auch nicht, und überdies war das Mittagsmahl reichlich spärlich ausgefallen. Es war Nachmittag. Ganz vorn marschierte Kostja, ein bißchen hinkend wegen einer kleinen Fußverletzung, aber unbeirrbar. Hin und wieder warf er einen etwas verächtlichen Blick auf die »Pullen« dahinten, wie er in seinen vorgeblichen Bart knurrte. In einigem Abstand folgte Wolf, dann Jürgen mit einem unverhältnismäßig schweren Affen (er hatte schon so einiges von dem Gepäck der anderen übernommen) und schließlich mit mehr oder weniger entrüsteter Miene über die »Zumutung, bei dieser Affenhitze durchs Gelände zu rennen«, die übrigen.
    »So ‘n Quatsch, warum hauen wir uns denn nicht in den Straßengraben und warten, bis uns doch noch ein Wagen mitnimmt«, meuterte einer.
    Jürgen wollte erst antworten, aber dann dachte er: Ach, verflixt, das hat doch keinen Sinn, ich hab‘ ihnen ja schon zehnmal erklärt, daß wir heute abend mindestens an der Kreuzung nach Gellingen sein müssen, hier kriegen wir doch keinen Wagen.
    Wolf dachte: Die haben ja alle ‘nen schönen Vogel, Jürgen ist auch nicht guter Laune, sonst hätt‘ er die Bande schon auf Schwung gebracht. Wolf dachte sich auch, weshalb Jürgen schlechtgelaunt war. Und da war er‘s leid. Er warf den Affen noch einmal hoch, zog die Riemen an und sang mit aller Seelenruhe:
     
Wenn ich auf Wanderschaft geh, ja geh,
dann tut mir der Zeh so weh...
     
    »Meinst du mich?« lachte Kostja und wartete auf Wolf. Bei der zweiten Strophe sangen Wolf und Jürgen und Kostja. Als sie den dritten Vers sangen, schrie die »Nachhut« (sagte Wolf): »Ihr habt wohl ‘nen Sonnenstich, das heißt ja doch erst mal: und die Hacke macht Attacke ...«
    Und da war die Situation gerettet, übrigens rollte nach einer Stunde das erste Auto an ihnen vorüber: ein Pkw., Mercedes. Wolf drehte sich für einen Moment um und winkte einmal mit der Klampfe; als die anderen lachten, meinte er:
    » Was wollt ihr denn? Daß der nicht hält bei unsrer großen Meute, weiß ich auch, aber

Weitere Kostenlose Bücher