Fahrt ohne Ende
gelang die Invasion in Frankreich. Fast gleichzeitig mußten die deutschen Heere im Osten auf breiter Front bis hart an die deutsche Ostgrenze zurückgenommen werden; damit war für jeden Einsichtigen klar, daß der Krieg für Deutschland verloren war. Aber in Berlin schrie man:
»Wir kapitulieren nie!«
Wie Gewitterschwüle lag es über dem Land. Da explodierte am 20. Juli die Sprengladung in Hitlers Hauptquartier. Hitler kam mit dem Leben davon; die Verschwörung, an der hohe Offiziere und Beamte beteiligt waren, wurde blutig erstickt.
Es war Anfang August 1944. Wolf hatte nächtliche Wache auf einem ihrer Flakstände. Es war verhältnismäßig ruhig in dieser Nacht. Auf seinem Kontrollgang kam der Leutnant der Einheit — er hatte einen Arm verloren, war deshalb nicht mehr fronteinsatzfähig — zu Wolf heraufgestiegen.
»Guten Abend, Gecken. Oder darf ich Wolf sagen? Wir wollen einander nichts vormachen, nicht wahr? Wir wissen ja wohl voneinander, wo wir stehen. «
Nach einer langen Pause:
»Wolf, glaubst du, daß das umsonst gewesen ist — das am 20. Juli, du weißt schon?«
»Umsonst? Nein. Ohne Erfolg — ja. Aber nicht umsonst. Solche Dinge haben immer ihren Sinn, ihren eigentlichen Erfolg in sich selbst.«
»Ja. Das muß so sein — sonst würde man wahnsinnig, wenn man daran denkt... Es ist ja auch wohl so, daß die Sache nicht gelingen konnte, weil eben zu wenig Menschen hinter ihr standen. Aber vielleicht wird der eine oder andere auf diese Weise doch noch wachgerüttelt — wenigstens für das, was nach dem Ende dieses Krieges kommt.«
Der Leutnant verschwand wieder im Dunkel. Wolf hielt weiter seine Wache.
Einige Wochen später hatte Wolf einen Zusammenstoß mit Stubbi. Sie hatten nämlich dann und wann zwischen dem Dienst noch ein paar Unterrichtsstunden, die Lehrer kamen zu ihren Baracken heraus. Manchmal, wenn die Luft ganz rein war, kam auch Stubbi.
Heute ließ er mal wieder die alte Platte laufen: »Unsere Helden da draußen«, »Der heroische Lebenskampf unseres Volkes« und dergleichen mehr. Die meisten hörten gar nicht hin, sie hatten irgendeinen Schmöker auf dem Tisch liegen, schließlich war man ja kein Pennäler mehr...
Stubbi redete sich immer mehr in Begeisterung hinein. Als er rief: »Und da kommen dann solche Schmutzfinken, solche erbärmliche Kreaturen und wagen es, aus gemeiner Angst und Feigheit heraus...«, wurde sein Redestrom unterbrochen.
Das Weitere brachte er nicht mehr heraus. Denn Wolf stand auf und sagte:
»Ich habe keine Lust, mir Ihr Gerede noch länger anzuhören. Ich gebe Ihnen einen Rat: Gehen Sie an die Front, halten Sie da Ihre Reden. Oder machen Sie in einem Löschtrupp in der Stadt mit. Aber gehen Sie!«
Die Kameraden waren aufmerksam geworden und trampelten mit den Füßen, um ihren Beifall zu zeigen.
Stubbi lief vor Wut rot an, packte seine Tasche, schrie:
»Das werden Sie büßen, Gecken!« und warf die Tür zu.
Zwei Tage später kam ein Oberleutnant zur Vernehmung in ihre Baracke, Stubbi hatte Wolf angezeigt.
Aber es war nichts zu machen, die Kameraden sagten übereinstimmend aus, daß vom 20. Juli gar nicht die Rede gewesen sei, darauf hätte Wolf gar nicht geantwortet, es habe sich lediglich um eine Mißfallensäußerung gegenüber der Unterrichtsart des Herrn Studienrats gehandelt.
Wolfs Leutnant sagte zudem aus, daß Gecken der beste Mann in seinem Zuge sei.
»So, dann wäre die Angelegenheit ja geklärt.«
Stubbi kam nicht mehr zum Unterricht in ihre Baracken heraus.
Ende 1944 wurden Wolfs Eltern in einen entfernten Landstrich evakuiert; Wolf ließ in einer Kiste auch seine Bücher, die beiden Instrumente und einiges andere von seiner Habe in Sicherheit bringen. Die Tagebücher Jürgens, die dessen Kompanieführer nach Jürgens Tod an Wolf geschickt hatte, behielt Wolf in seinem Feldgepäck.
Ihr Haus in der Stadt fiel einem der nächsten Bombenangriffe zum Opfer. Wolf konnte kaum Notiz davon nehmen, denn sein und seiner Kameraden Leben bestand nun nur noch aus Dienst am Geschütz, wenn pausenlos bei Nacht und Tag alliierte Bomberverbände nach Westdeutschland einflogen, und zwischendurch hauten sie sich hin und schliefen... schliefen wie tot.
Noch einmal wurden Wolf und seine Kameraden vor eine Entscheidung gestellt. Das war Ende März 1945. Am 9. März war amerikanischen Verbänden der Rheinübergang bei Remagen gelungen. Am 23. März hatten britische Truppen ebenfalls den Rhein im Raum von Wesel überquert.
Wolfs Batterie bekam
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