Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Faith (German Edition)

Faith (German Edition)

Titel: Faith (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Tintelnot
Vom Netzwerk:
lassen müssen, warum sie beide nicht zum Abendessen erschienen.
    Die Direktorin warf ärgerlich den Hörer auf die Gabel.
    Sie besaß noch eines dieser schwarzen, altmodischen Telefone mit Wählscheibe.
    Seit Tagen versuchte sie nun in der alten Villa anzurufen, aber sie bekam keine Verbindung.
    Es war einfach unerfreulich, Robert so hinterhertelefonieren zu müssen.
    Hatte denn dieser Mann keinerlei Gespür dafür, wann es angezeigt war, sich mal zu melden und mitzuteilen, wie es ihren Schülern ging?
    Sie hatte ihn wahrhaftig für sensibler gehalten.
    Schließlich war sie verantwortlich für die Kinder.
    Morgen würde die Schule wieder beginnen, wenn Faith auftauchte, konnte diese ihr hoffentlich mitteilen, wie es ihren Mitschülern ginge.
    Vielleicht waren sie ja alle so weit wieder hergestellt, dass sie gemeinsam mit Faith zur Schule kamen?
    Faith war, soweit sie wusste, von der Grippe verschont geblieben. Und da sie eine externe Schülerin war, musste sie erst zum Unterrichtsbeginn wieder erscheinen.
    Sie erhob sich, um sich einen Ingwertee zuzubereiten.
    Sie schälte die Ingwerknolle, raspelte sie und gab sie mit Honig in kochendes Wasser.
    Dann ließ sie das ganze zehn Minuten kochen. Ein altes chinesisches Rezept, mit dem sie hoffte, ihrer leichten Halsschmerzen Herr zu werden.
    Sie trug das durch ein Sieb gegossene Gebräu in ihrem Lieblingsbecher zum Sofa, wickelte ihren Schal fester um den Hals und schlürfte genüsslich das scharfe und gleichzeitig süße Getränk. Viele mochten diesen seifigen Geschmack nicht, aber die Direktorin liebte ihn.
    Ben stand sofort auf, als die alte Dame den Bus bestieg. Er hatte den Platz hinter dem Fahrer, der eigentlich für behinderte Fahrgäste reserviert war, besetzt.
    Madame Agnes deutete ein Lächeln an, stellte ihren Stock ans Fenster und setzte sich. Es gab doch noch höfliche junge Leute. Ihr Enkel müsste im gleichen Alter sein wie dieser junge Mann und sein Freund, der auf der anderen Seite des Ganges im Bus saß.
    Und wie immer, wenn sie Jungen im Alter ihres Enkels sah, suchte sie in den Gesichtern eine Ähnlichkeit mit dem kleinen Sohn ihrer Tochter Agnes. Sie hatte nach seiner Entführung nie wieder etwas von ihm gehört, sie wusste nicht einmal, ob der Junge noch lebte.
    Gedankenverloren blickte sie aus dem Fenster und dachte, wie beruhigend es wäre, ihn noch einmal zu sehen oder wenigstens zu wissen, dass es ihm gut ging.
    „Wenn sie den blauen Schmetterling gesehen haben, könnten sie den Eingang in die Anderswelt gefunden haben.“ Christian sah Ben zweifelnd an.
    „Das hätte Lisa uns doch mitgeteilt.“
    „Vielleicht wusste sie das noch nicht.“
    Trotz ihres Alters hatte die alte Dame noch ein recht gutes Gehör. Madame Agnes unterbrach die beiden Jungen: „Ich habe euer Gespräch mit angehört. Sprecht ihr von Schmetterlingen, jetzt im Winter?“ Sie merkte, dass die beiden nicht antworten wollten.
    „Darf ich euch eine Geschichte erzählen?“
    „Ich weiß nicht, wissen Sie, wir müssen schon bei der nächsten Station aussteigen.“
    „Das ist bei der alten Villa, nicht wahr? Ich dachte es mir. Das ist auch mein Ziel. Faith wohnt dort mit ihrem Vater. Sie ist eine Schülerin von mir. Ich nehme an, ihr seid, genau wie sie, Schüler auf Schloss Waldeck? Ich muss mit ihr reden, sie warnen. Das hätte ich schon vor Wochen tun sollen. Vielleicht“, flüsterte sie mehr zu sich selbst, „ist es schon zu spät.“
    „Wie, zu spät?“
    Ben half Madame Agnes aus dem Bus und über den vereisten Schnee an der Straßenkante.
    „Danke, mein Junge.“ Sie ließ seinen Arm los.
    „Ich bin Madame Agnes“, stellte sie sich vor.
    „Ich bin Ben und das ist Christian, aber was meinten Sie mit zu spät?“
    „Um das zu erklären, muss ich euch doch meine Geschichte erzählen.“ Sie wandte sich um und wanderte langsam auf die alte Villa zu.
    Ben und Christian gingen beunruhigt neben ihr her.
    „Faith lernt bei mir französische Konversation“, begann sie. „Sie fragte mich in der letzten Stunde vor Weihnachten, ob ich je blaue Schmetterlinge im Winter gesehen hätte. Ich habe ihr nicht geantwortet, aber das hätte ich tun sollen.“ Und dann berichtete sie den beiden Jungs, was sie von ihrer Tochter, der jungen Agnes, erfahren hatte.
    Von Leathans Verführungskünsten und dem bitteren Ende, das ihrer einzigen Tochter den Tod gebracht und ihr den Enkel genommen hatte.
    „Ich habe Agnes zu jener Zeit nicht geglaubt, heute bereue ich das

Weitere Kostenlose Bücher