Faith (German Edition)
anderen Welt erschließen würde.
Sonst hätte er keine Sekunde gezögert, sich ohne Richard auf die Suche nach Lisa zu machen. Ben war also auf ihn angewiesen und hatte nicht die Absicht, sich von ihm abweisen zu lassen.
Er hoffte nur, dass Richard keinen anderen Zugang zu seiner Welt fände.
Ben stand, als Richard ankam, an den Baum gelehnt und sah hinüber zu der alten Villa, wo sie zwei Wochen zuvor Faiths Geburtstag gefeiert hatten.
Damals war seine Welt noch in Ordnung gewesen. Seine Beziehung zu Patricia war schwierig geworden, aber seltsamerweise hatte ihn das nicht sehr berührt. Er sah Richard auf sich zukommen und machte sich bereit. Richard sah wütend aus.
„Ich werde dich nicht mitnehmen, Ben. Ich habe schon Viktor gesagt, dass ich ohne euch besser dran bin.“
„Ich lass mich nicht abwimmeln. Ich muss Lisa finden, verdammt, du kannst dir doch vorstellen, wie sich das anfühlt. Du gehst wegen Faith da rüber, oder?“
Richard überlegte. Wenn er verhindern wollte, dass Ben mit ihm kam, musste er ihn festbinden, er könnte ihn auch täuschen, indem er ihn hypnotisierte.
Aber das wollte er ihm denn doch nicht antun, zumal er sah wie bekümmert Ben war. „Also gut“, seufzte er, „ich weiß, es ist falsch, und es wird alles noch viel schwieriger machen, aber gut, gehen wir.“
Er kletterte, dicht gefolgt von Ben, über die Luftwurzel in den Baum. Einen Moment lang war schwarze Finsternis um sie. Als sie in die andere Welt stolperten, stand vor ihnen ein gewaltiger schokoladenbrauner Gaul.
Magalie
Magalie griff blitzschnell zu und erwischte den kecken kleinen Dieb am Arm. Lachend und strampelnd versuchte der Glitter sich zu befreien. Magalie warf ihn hoch in die Luft und fing ihn wieder auf, das Kerlchen kreischte vor Vergnügen.
„Gib es sofort zurück.“
Magalie musste lachen. Diese Glitter! Alle waren diebisch veranlagt, gaben aber das Diebesgut sofort wieder her, wenn man sie beim Klauen erwischte. Wenn nicht, verteilten sie die ergaunerten Sachen großzügig als „Geschenke“.
Dieses Bürschchen hier liebte sie besonders. Mit seinem grünen Clownsgesichtchen und dem frechen Grinsen in den blauen Augen sah er ganz allerliebst aus. Die rotgoldenen Haare standen wild um seinen Kopf herum und verdeckten nur teilweise seine abstehenden Ohren.
Er gab ihr das bunte Tuch, das er ihr im Vorbeifliegen aus der Hand gerissen hatte, zurück. Die Glitter waren, wenn man von ihrer Neigung, sich fremdes Hab und Gut anzueignen, absah, verlässliche Freunde. Jederzeit würden sie helfen, wenn es in ihrer Macht stünde. So hatten sie auch Robert in der Nacht, in der er hilflos am Felsen hing, geholfen.
Die grüngeflügelten Feen und Elfen waren klein und wendig und sehr kräftig. Manche hatten die Fähigkeit so durchsichtig zu werden, dass sie fast unsichtbar wurden. Dieser Elf hier war noch nicht ausgewachsen, ein Junge noch, aber frech wie Oskar, und so nannte sie ihn auch.
Als sie ihn losließ, flog er, zum Abschied winkend, seinen Gefährten hinterher.
Magalie ging weiter zu den Ställen, wo, wie jeden Morgen, Chocolat auf sie wartete. Der mächtige Wallach verdankte seinen Namen dem sanften Schokoladenbraun seines Fells.
Mit leiser Stimme erzählte sie ihm, während sie ihn sattelte, von Oskar.
Sie gehorchte einem inneren Zwang, einer wagen Annahme, als sie über grüne Wiesen, über den trockenen vermoosten Boden der Steppe und dann weiter durch den Wald zum alten Baum galoppierte. Ihr weißes Hemd flatterte im Wind, ihre wilden roten Locken tanzten. Magalie bot einen zauberhaften Anblick.
Sie zügelte Chocolat, als sie die beiden Jungen sah, die, wachsam um sich blickend, in der Anderswelt erschienen. Richard erkannte Magalie sofort. Ihr leuchtendes Haar, ihre zarte Haut, der wache Blick aus grünen Augen, alles an ihr erinnerte ihn an Faith. Eine ungestüme Sehnsucht ergriff ihn.
Ben starrte Magalie geradezu unhöflich an. Ihre natürliche Schönheit wirkte wie ein Zauber, dem sich niemand entziehen konnte, der ihr begegnete. „Richard?“ Magalie wartete offenbar, dass Richard sich äußerte. Sie wollte ihn nicht drängen.
Auch Richard war fasziniert. Er hatte sie manches Mal beobachtet, wenn sie auf Chocolat ritt. Nie hatte er ein Wort mit ihr gewechselt. Aber offenbar wusste auch sie genau, wer er war.
Wenn er mit Murat durch die Wälder gestreift war, hatte er sich oft absichtlich in die Nähe ihres Anwesens treiben lassen.
Das große Herrenhaus mit seinen ausgedehnten
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