Faith (German Edition)
weidete sich an seiner Verblüffung und der rasenden Wut, als er realisierte, was, beziehungsweise wen er da sah. Es lag durchaus in ihrer Absicht, dass Leathan Faith bemerkte.
„Du kannst sie haben, vorausgesetzt, du übergibst mir das Tal der Feenkamine, überlässt mir die Artisanen und reinigst den stinkenden Fluss.“
„Viel für so ein rothaariges kleines Ding.“
„Du brauchst die Artisanen doch nicht wirklich, du hast deine Lavatiden. Sie sind die Richtigen für grobe Arbeiten. Wenn du einverstanden bist, gib mir ein Zeichen, indem du die Ebene da draußen trocken legst und deinen giftigen Schlamm bei dir behältst.“
Leathan versuchte so gleichgültig wie möglich zu wirken, was ihm nicht so recht gelang.
Er konnte den Blick kaum von dem Geschehen am Strand wenden.
Annabelle beobachtete ihn genau, sie durchschaute ihn.
„Du brauchst Faith, um Magalie zu zwingen, zu dir zu kommen. Du glaubst, wenn du Magalie besitzt, wird dir Faith nicht gefährlich werden. Um ihre Mutter zu schützen, wird sie die Prophezeiung nicht erfüllen. Ich kenne die Vorhersage wie du.“
Sie sah ihn abwartend an.
„Was ist es?“
„Was ist was?“
„Wie kann sie dir schaden?“
„Annabelle, du erwartest doch nicht wirklich eine Antwort auf diese Frage.“
Langsam bekam Leathan wieder Oberwasser. Keiner kannte das geheime Zeichen der Macht, das er besaß.
Automatisch fuhr seine Hand zur Brust.
Niemand außer ihm wusste, was es war oder wie es aussah. Und solange das so blieb, konnte er sich sicher fühlen.
Seine gierige Schwester war die letzte, der er Auskunft geben würde.
Der Sage nach war das Zeichen der Macht, das er besaß, von geradezu überirdischer Schönheit und Kostbarkeit. Und Annabelle wollte es um jeden Preis besitzen, selbst dann, wenn sie seine wahre Schönheit niemals erkennen konnte.
„Ich werde über dein Angebot nachdenken.“
Leathan wandte sich zum Gehen, nicht ohne noch einmal zum Strand hinuntergesehen zu haben.
„Tu das, mein Lieber, aber denk nicht zu lange nach.
Möglicherweise hat auch Magalie Interesse an einem ähnlichen Geschäft. Nicht alle Artisanen arbeiten in den Felsen, nicht wahr?“
Leathan ließ sich nichts von dem Schrecken anmerken, der ihn durchzuckte.
In der Tat waren die Artisanen, deren Kinder er nicht hatte stehlen können, noch bei Magalie. Annabelle würde ihre Drohung vermutlich wahrmachen, wenn er sie zu lange hinhielte.
Aber ob Magalie ihre freien Künstler austauschte? Sicher war er da nicht. Magalie besaß eine ihm fremde, ganz eigene Art von Moral.
Oder besser, erkannte er sarkastisch, sie besaß, im Unterschied zu Annabelle und ihm, überhaupt eine.
Als Leathan sich auf sein Pferd schwang, wusste er, dass er zumindest zum Schein auf das Angebot seiner Schwester eingehen würde.
Annabelle sah ihrem Bruder lange nach und überlegte ihrerseits, wie sie den Bruder hintergehen könnte.
Sie würde Faith zu ihm schicken, oh ja.
Aber um sicher zu sein, dass das Mädchen ihr gehorchte und erfolgreich zurückkehrte, müsste sie ein Pfand zurückbehalten, das Faith sehr am Herzen lag.
Erpressung
„Du verstehst sicher, was ich meine. Die Artisanen hätten es unter meinem ,Schutz entschieden besser als unter der Herrschaft Leathans.
Sie könnten sich wieder den schönen Dingen zuwenden. Sich ihrer Kunst widmen, statt schwere Eisenteile herzustellen und Brücken oder Bohrtürme zu bauen.“ Annabelle sah Faith Verständnis heischend an.
Wie bezaubernd sie sein konnte, wenn sie wollte.
Ihre Stimme bekam einen betörenden Klang, das klirrende böse Lachen, mit dem sie ihren Bruder gelegentlich bedachte, war verschwunden.
„Auch ihre Wortwahl ist eine andere“, dachte Faith.
Wie wohl der „Schutz“ aussähe, den sie den Artisanen angedeihen lassen wollte?
Ja, Annabelle hatte Kreide gefressen, kein Zweifel.
Faith war gespannt, was noch kommen würde.
„Sieh mal, mein Bruder beutet diese begabten Künstler aus, sie bedeuten ihm nichts, dasselbe tut er mit der Natur. Auch in ihr sieht er nur etwas, dessen er sich bedienen kann. Was er anfasst, wird hässlich.“
Ihre Stimme wurde weniger sanft.
„Und das will und kann ich nicht dulden. Und so habe ich mir gedacht, dass du mir helfen könntest.“
„Und wobei genau soll ich dir helfen?“
„Leathan besitzt etwas, das für ihn von großer Bedeutung ist und das ihm besondere Macht verleiht. Darunter leide nicht nur ich, nein, auch alle anderen Bewohner der Anderswelt.“
Faith schwieg.
War
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