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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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spüren.
Man traute sich allerdings nicht in den Flur. Niemand hatte Lust, sich mit
einer Kohlenschippe erschlagen zu lassen. Daß die Umlaufpumpe bereits lief,
wußte man schon - man spürte ihre Mühen mehr als deutlich. Die Wände vibrierten
regelrecht, in manchen Schränken klirrte das Geschirr. Die grobe Pumpe stand
leider nicht auf einer Schaumstoff- oder gummiartigen Unterlage, so etwas wie
federnde Schwingungsdämpfer waren für die Montage wahrscheinlich sowieso nie
vorgesehen gewesen. Schon in der kurzen Probephase bekam man das dumme Gefühl,
in dem elektrischen Pumpgetüm würde etwas zermalmt - nebenbei auch ein Teil von
einem selbst. Die geballte Gedankenenergie vieler Tantenhirne konnte dieser
Wassermühle, die ihnen den Schlaf zu rauben drohte, bald nur einen schnellen
Kollaps wünschen.
    Die
Wohnung blieb trotz des aus dem Flur kommenden Krachs weiterhin kalt. Der Onkel
schaufelte, knallte mit den gußeisernen Türen des Ofenbodys, wackelte an den
irgendwann provisorisch angebrachten Thermometern.bewegte alle möglichen
Klappen und Schübe - heizte eben. Im Flur war es heiß wie in der Hölle. Und der
Onkel schwieg, schwitzte stark und murmelte vor sich hin. Daher erfuhren wir
niemals, warum sein System, dieses beeindruckende und an sich ausreichend heiße
Monstrum, keine Wärme abgeben wollte. Keine Wärme, immer nur Wasser - kaltes
Wasser, manchmal auch lauwarmes. Wir und die Nachbarn unter uns wurden mehrmals
von mehreren kleinen oder größeren Wassereruptionen heimgesucht. Da sich der
Onkel auch später grundsätzlich weigerte, uns das Versagen seiner Befeuerungs-
und Zirkulationsanlage zu erläutern, verdammte er sich selbst zu seiner schon
angekündigten und wirklich eisern-finalen Stille.
    Onkel
ONKEL blieb trotz allem ein Mann der Tat und rückte schon am nächsten Tag nach
dem Desaster mit großen Rollen elektrischer Kabel an. Er beschenkte außerdem
alle Betroffenen mit Radiatoren, organisierte den für die Normalverbraucher
damals nicht genehmigungsfähigen, weil billigen Nachtstrom - und zwar
unbegrenzt für den ganzen Tag -, und in den ihm ausgelieferten
Wohnungsbereichen begann man praktisch über Nacht elektrisch zu heizen. Und
eins mußte man meinem Onkel lassen: Diese Variante der Wärmeerzeugung war
ebenfalls MODERN und außerdem hundertprozentig sauber - sogar unvergleichlich
sauberer als die aufgegebene. In der Übergangszeit lagen überall noch etliche
provisorische und besonders dicke Verlängerungskabel herum, diese verschwanden
aber nach und nach. Als ein geschickter Bastler und Elektriker versenkte Onkel
ONKEL alle häßlichen Zuleitungen in den vielen, großzügig bemessenen
Schlauchkanälen. Trotzdem verlor die Wohnung seit dieser Zeit nie wieder den
Charme einer Baustelle - dazu waren die Bausubstanzwunden zu gravierend. Und
obwohl die Wohnung schon immer ein zernarbtes Provisorium gewesen war, gelang
einem wie mir nie wieder, die kaputten Schwellen, die Negativspuren
derherausgerissenen Kachelöfen oder die abgesackte Holztäfelung ganz zu
ignorieren. Ich sah noch nach Jahren immer automatisch hin und litt. Dank ihres
grenzenlosen Optimismus konnte dieser Katastrophe wieder nur meine
Hauptgroßmutter Lizzy etwas abgewinnen: - Wenn diesem Mann etwas gelingt, kann
man sich darüber oft auch nicht freuen. Es ist steril und ohne Seele.
     
    entspannt
schnippelten sie in meinem beisein an ihren schamhaaren herum
    In meinem
Leben gab es immer wieder Momente, in denen ich Lust hatte, irgendwelche
Idioten abzuschießen. Ich besaß sogar eine echte Pistole - ein schweres
schmiedeeisernes Perkussionsgerät mit einem mächtigen Lauf, Kaliber etwa 20 mm.
Es war leider nur ein lahmer Vorderlader aus dem neunzehnten Jahrhundert. Einen
Vorrat an Schießpulver hatte ich schon, den popelte ich mir nach und nach aus
den in Vaters Schubfächern verstreuten Patronen zusammen. Über deren Verbrauch
und Verbleib wurde in seinem Ministerium offenbar nicht streng gewacht.
Irgendwann war ich de facto schießbereit, da in den Lauf meiner Pistole
gewöhnliche Stahlkugeln aus Kugellagern paßten. In einem der von uns
frequentierten Innenhöfe befand sich eine Reparaturwerkstatt für mächtige
Elektromotoren, so daß ich immer genügend Kabel, Klemmleisten, Stahlringe - und
eben auch Kugeln aus Kugellagern - vorrätig hatte. Wirklich geschossen habe ich
mit meiner leicht rissigen Antiquität zum Glück kein einziges Mal.
    Richtige
Waffen wurden in Prag natürlich frei verkauft - allerdings nur an

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