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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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Bei dem Kampf mit den hartnäckigen Schwellen quietschten einige rostige Nägel
so, daß manche Tanten weinen mußten. Urtante Bombe bekam einen
Schüttelfrostanfall. Bei diesen Arbeiten sackten oder verzogen sich viele
Türrahmen so drastisch, daß die entsprechenden Türen eine Zeitlang nicht
geschlossen, manche sogar überhaupt nicht bewegt werden konnten. Die Männer
machten auch keinen Halt vor Parkettböden, rissen zackige Schneisen hinein und
füllten die entstandenen Gräben mit häßlichen Brettern aus. Bei diesen
wippenden und knarrenden Provisorien blieb es dann auch. Herrlich gefräste
Fußbodenleisten wurden meterweise herausgerissen und zerbrochen. Museumsreife
Gasheizungen, die nicht nur explosionswütig waren, sondern auch regelwidrig an
unzulässige Schornsteinzüge angeschlossen worden waren, wurden entsorgt. Daran,
daß für sie eventuell auch ein Ersatz hätte angeschafft werden können, dachte
dabei niemand. Gerechtigkeitshalber muß ich allerdings eins anführen: Onkel
ONKEL ließ seinen eigenen Lebensbereich genauso bluten wie die Lebensräume
aller anderen Betroffenen. Wegen der zentralen Lage seines Zimmers teilweise
sogar noch böser.
    Der
allgemeine Kahlschlag traf auch die Prachtstücke der Wohnung - die verzierten
hohen Kachelöfen, die der Wohnung bis zuletzt etwas Schloßartiges verliehen
hatten. Diese mußten der Moderne weichen, sie sollten sowieso niemals mehr zu
etwas nützlich sein. Nichts, was dem Onkel und seinem Helfershelfer in den Weg
kam, wurde verschont. Man mußte den beiden inzwischen alles genehmigen und
glauben - es gab sowieso kein Zurück. So hochgradig adrenalisierten Menschen,
die sich zu derart mitleidslosen Attacken auf alle egal wie wertvollen
Hindernisse berechtigt fühlten, hatte man sich einfach zu beugen. Onkel ONKEL
als der Gespannführer war unaufhaltsam wie ein soldatischer Bulldozerfahrer,
der von einem kurzzeitig siegesberauschten Generalstab vorgeschickt wurde - und
der ohne die Möglichkeit, über das eventuell fragwürdig gewordene
Zerstörungswerk Rücksprache zu halten, weiterkämpfte.
    -
Bourgeoiser Schrott, lachte der Onkel, als er mit seinem Kompagnon die kaputten
grünen Kacheln und hellen Schamottesteine dieser Kachelöfen herausschleppte und
auf einen Haufen neben die Mülltonnen warf.
    Es waren
die letzten Akte dieser großen industriellen Rebellion, das letzte freudige
Aufbäumen bei diesem mit der traurigen Person meines Onkels verbundenen
Geschichtssprung. Fast die gesamte Wohnung war anschließend ohne jegliche
Heizungsmöglichkeit, ein Testbetrieb eines kleinen Heizkreises - zur Probe -
war nicht vorgesehen. Die ganze Bauerei war zeitlich sowieso längst im Verzug.
Thermodynamisch gesehen konnte jetzt aber überhaupt nichts mehr schiefgehen. In
den vielen Kanälen, breiten Schlitzen, Einschnitten und Mauer-Durchbrüchen
lagen schon längst - wie vorgesehen - die hochgelobten flexiblen Schläuche. An
sich war diese Installationsvariante - statt traditioneller Stahlrohre
Plastikschläuche zu verlegen - damals eine absolute Neuheit. Diese
fortschrittlichen Schläuche, die erstaunlicherweise mit simplen Schlauchschellen
angeschlossen und miteinander verbunden wurden, sollten genausogut heißes
Wasser ertragen, das heißt dicht bleiben und nicht platzen. Und man kam beim
Verlegen ohne die üblichen und aufwendigen Schweißarbeiten aus.
    Endlich
kam es dann zu der letzten Phase des Aufbaus: In den Bauch des Ofens wurde das
Herz der Anlage versenkt - der lange erwartete wasserdichte Kessel voller
Strömungslöcher. Der Spätherbst und das unvermeidliche Desasterkonnten kommen.
Diejenigen, die sich hatten anschließen lassen und sich von einem Teil ihrer
Möbel hatten verabschieden müssen - an ihrer Stelle standen nun mal die
furchtbar unförmigen Heizkörper -, warteten ungeduldig auf den Startschuß und
auf die Wärme.
    Die stark
wärmesüchtige Tante Györgyi starb beinah in dieser Zeit. Der Herbst hatte schon
zeitig mit einer Kältewelle begonnen. Während dieser befand sich der zu
versenkende Kessel noch in der Schweißerwerkstatt. Nachdem dieses Prachtstück
endgültig angeschlossen, die Anlage mit Wasser gefüllt und von den meisten
Luftblasen befreit worden war, kündigte Onkel ONKEL endlich eine kurze
Laufphase an. Alle verkrochen sich in ihren Zimmern, warteten gespannt und
zitterten - jetzt eher vor Aufregung. Man hörte lange Zeit aufmerksam zu - und
man konnte einiges tatsächlich sehr gut hören oder als Erschütterung

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