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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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bewußt verschwiegen, manches an Hürden und Schwierigkeiten
ahnte garantiert aber auch der arme Onkel nicht. Sein Enthusiasmus riß einige
mit, mich persönlich sogar mit einer ungeheuren Kraft, obwohl ich von der
Neuerung dank meiner Mutter ausgeschlossen bleiben sollte. Seit Gagarins
mutiger Erdumrundung war ich für technische Wunder leicht zu begeistern, meinen
Freund und technikkundigen Vorkämpfer Skopka hatte ichals leuchtendes Beispiel
immer vor Augen. Ich sah eine glänzende moderne Heizapparatur vor mir, sah
unsere zufriedene Familie, die voller Bewunderung meinen Onkel beim Nachlegen
von jederzeit bestellbarem Koks zusah. Ich witterte regelrecht schon die Wärme,
wie sie sich durch die überall in der Wohnung sich windenden Rohre bewegen und
die aufnahmebereiten Heizkörper füllen würde. Die in der Luft wirbelnde Asche,
der ätzende Rauch oder zischende Wasserdampf kamen in meinen Visionen nicht
vor. Bei der Familie Skopka wurde selbstverständlich noch mit Öfen geheizt.
    Als der
BODY - ein riesiger eckiger Eisenofen - angeliefert wurde, war ich leicht
entsetzt. Er sah ausgesprochen vorsintflutlich aus. War aber wirklich imposant
- so einen Koloß, der früher sicher eine ganze Werkhalle mit Kohlen beheizen
konnte, hatte ich noch nie gesehen. Und ich wußte sowieso, daß dies nur die
äußere Hülle war, daß das eigentliche Herz der Anlage erst noch hinzukommen
würde, um passend im Bauch des Monstrums versenkt zu werden. Der Heizvorgang an
sich würde dann - unabhängig von ästhetischen Äußerlichkeiten - sowieso durch
die Bewegung des Wassers geschehen: unsichtbar, dynamisch, eben dank Wärmeleitfähigkeit
des Wassers, dank Wärmetauschvorgängen in den Heizkörpern und dank
anschließender Luftzirkulation.
    Onkels
Haus auf dem Lande wurde für die nächsten Monate den Winden, dem Regen, wilden
Tieren und tobenden Jugendlichen aus dem Dorf überlassen. Mein Onkel rückte
unterdessen mit einem Helfer an - einem schon rein äußerlich gewalttätig
wirkenden Spezialisten. Die beiden Männer wuchteten einige beeindruckend
aussehende Geräte die Treppe hoch und legten an den Wochenenden regelmäßig los.
Daß wir alle uns vor dem Onkel aus gutem Grund zu fürchten hatten, wurde jetzt
offensichtlich. So große Stemmeisen, Vorschlaghämmer, Bohr- und
Säge-Gerätschaften hatten wir noch nie gesehen. So gewaltige Schläge und Hiebe
waren in unserer Gegenwart noch nie ausgeführt worden, so brutale Kraftakte und
Materialabsonderungen für unser Glück noch nie nötig gewesen. Onkel und sein
Kumpel hatten dabei vorerst blendende Laune und strahlten unerschöpfliche
Zuversicht aus - mit oder ohne einer Bierflasche in der Hand. Die primäre
Zerstörungsarbeit machte ihnen einfach riesigen Spaß. Alle
Wohnungsbewohnerinnen zitterten während der akutesten Arbeitsschübe und
flüchteten nach Möglichkeit. Dadurch erhielten die beiden Männer genau das, was
sie wollten - die vollständige BAUFREIHEIT. Manche der Arbeitsgeräusche waren
beeindruckend und unvergeßlich, man hörte die Fleißarbeit der beiden auch auf
der Straße und im Hof.
    - Nein!
kreischte Erna, ich bekomme schon das große Bibbern, wenn sich neben mir einer
die Fingernägel feilt!
    Außerdem
roch man dauernd einiges, und man konnte das Fortschreiten der Arbeiten in der
Regel auch unter den Türen hervorkriechen sehen. Überall verbreitete sich
feinster Mörtelstaub, er krabbelte durch alle Ritzen, blieb überall liegen,
beschichtete auch die glattesten Oberflächen. Alle Damen empfanden diese weiße
Pest schon als eine ausreichende Bedrohung, hatten aber absolut keine Ahnung,
daß auf sie noch viel mehr zukommen sollte.
    -
Schlimmer als der Hunger und die Wanzen in Auschwitz wird es jetzt nicht sein,
meinte meine optimistische Großmutter Lizzy.
    Die Träume
vom modernen Heizungssystem wurden nach und nach konkret umgesetzt, die
entsprechenden Voraussetzungen und Tatsachen geschaffen. Für die vom Onkel
ausführlich beschriebenen Umlaufkreise, die auf manchen Strecken parallel
verlaufen mußten, wurden breite und tiefe Schneisen in die Wände geschlagen. Wo
eine Holztäfelung vorhanden war, wurde sie mit einer unförmigen, zur Kreissäge
umgebastelten Bohrmaschine demoliert, mehrere Türfutter wurden oberhalb des
Fußbodens waagerecht oder schräg aufgeschlitzt und wunderschön abgetretene alte
Hartholzschwellen mannhaft hochgezerrt. Das alles war aber absolut nötig - die
Warm- und Kaltwasserwege mußten auch den letzten Winkel der Wohnung

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