Faktor, Jan
Nachricht in der
Klasse wie ein Lauffeuer, und die nachfolgenden Unterrichtsstunden waren eine einzige
Katastrophe. Den Jungs fiel andauernd etwas aus der Hand, und sie suchten die
schwer auffindbaren Dinge lange auf dem Fußboden, krochen durch die Gänge,
kamen nicht hoch, kollabierten wiederholt. Pausenlos bückte sich jemand oder
balancierte in einer gefährlichen Schräglage, einige überschätzten dabei die
Bodenhaftung ihrer Stuhlfüßchen und fielen um. Und diejenigen, die sich gerade
ausruhten und nicht unterwegs waren, hörten gar nicht zu, wenn die Lehrerin sie
etwas gefragt hatte. - Kann mir jemand verraten, was heute los ist?
Natürlich
reiften auch meine Cousinen zu richtigen Frauen und versetzten mich mit ihrer
Körperlichkeit wiederholt in Alarmzustände - und das ebenfalls von klein auf.
Ihrem Vater, dem Onkel ONKEL, erzählten sie von ihren Geheimnissen nichts, ihre
Mutter arbeitete Tag für Tag aus freien Stücken bis zum Umfallen - und die
beiden Knöspchen hatten keinen anderen Vertrauten als mich. Ich war zwar nicht
der älteste von uns dreien, ich war aber ein Mann; und die beiden Frauen sahen
in mir gemäß der - wenigstens in der Theorie vorhandenen - Familienkonzeption
denjenigen, der alles besser zu wissen hatte. Die jüngere Cousine steckte sich
in den Anfängen unseres Trio-Daseins gerne alles mögliche in die Ohren oder in
die Nase. Eines Tages blieb ihr eine Erbse in einem der Nasenlöcher stecken und
ließ sich nicht herausschnauben. Die Unglückliche kam zu mir, auch weil ich
eine gute Taschenlampe und verschiedene Lupen besaß. Nach der aufregenden
Untersuchung - das Innere einer Frau, gibt es etwas Schöneres? - beschlossen
wir, die Sache zu beobachten und erst einmal nicht zu melden. Das war aus
mehreren Gründen schade, weil ich damit meine unzureichende Kompetenz bewiesen
und die Perspektive verspielt hatte, bei Untersuchungen wichtigerer Öffnungen
mitmachen zu dürfen. Nach zwei Tagen spürte die Cousineeinen leichten Druck in
der Nase und bekam Kopfschmerzen. Nach zwei weiteren Tagen suchte sich schon
ein Keimling den Weg zu mehr Licht.
Bei den
Untersuchungen unserer Mundhöhlen durfte ich trotzdem weiter mitmachen. Bei uns
allen kamen damals beim Husten - oder wenn man tief im eigenen Rachen mit dem
Finger stocherte - elastische, gelb-eitrige Flocken aus der Schleimhaut zum
Vorschein, die die Form von Pinienkernen hatten, manchmal aber doppelt so groß
waren. Besonders im Winter war die Ernte reichlich. Die Erwachsenen sollten von
diesen Fundstücken nichts mitbekommen. Wir zeigten uns unsere Absonderungen
dagegen sehr gern, sammelten sie in einem Gläschen. Das letzte große Geheimnis
war dann die erste und viel zu frühe Menstruation der älteren und vollkommen
unaufgeklärten Cousine. Sie zeigte mir, dem Mann, ihr Blut, und wir beide
bekamen große Angst. Meine Schlußfolgerung, sie würde nie Kinder bekommen
können, lag auf der Hand. Unsere enge Gemeinschaft zerfiel dann aber sowieso
bald. Ich tauchte in das wilde Leben meiner Clique ein - und die beiden
Cousinen wollten mit diesem verdorbenen Haufen nichts zu tun haben. Sie waren
gesittete und früh zu Bürgerlichkeit neigende Wesen. Und wir entfremdeten uns schon
während dieser meiner ersten Absprungphase immer mehr. Ich verbrachte die
ganzen Nachmittage mit meinen Leuten im Park, oben auf dem grün-buckligen
Stadttor oder in gerade elternfreien Wohnungen und sah die Cousinen an manchen
Tagen kaum noch. Es verbot sich fast, bei unseren täglichen Treffen der Clique
zu fehlen. Mein guter Status dort beruhte unter anderem darauf, daß ich Gitarre
spielen konnte. Und ich wollte möglichst jeden Tag spielen und mit den neu
einstudierten Songs glänzen. Mein Englisch wurde auch dank meines
Privatunterrichts immer besser.
Am
längsten ging ich mit Tanja, und meine Liebe zu Tanja war die tiefste, die mir
in dieser Zeit geschenkt wurde.Tanja war die hüftschmalste Frauengestalt aus
der Clique, trug immer die engsten Jeans oder einen fast nicht vorhandenen
Minirock. In ihren lockeren Pullovern kamen ihre breiten und etwas spitzen
Schultern einmalig zur Geltung, und die Art, wie aufrecht sie ihren schmalen
Oberkörper durch die Gegend trug, war phänomenal. Eine vergleichbar reizende
Körperhaltung war mir bis dahin nicht begegnet. Die Ausnahmequalität ihrer
Körperlichkeit begriff ich - ERKANNTE SIE - nicht erst unter Alkoholeinfluß.
Bei Partys durfte ich mich aber endlich auch mit ihrem herrlichen, unter ihren
T-Shirts
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