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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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veröffentlicht.«
»Sie sind Schriftsteller?« fragte mich Wilbur.
»Ab und zu.«
»Ich könnte einen Schriftsteller gebrauchen. Sind Sie gut?«
»Jeder Schriftsteller denkt, er ist gut.«
»Ich brauche einen, der mir das Libretto für eine Oper schreibt, die ich komponiert habe. Sie nennt sich ›Der Kaiser von San Francisco‹. Haben Sie gewußt, daß es mal einen gab, der Kaiser von San Francisco sein wollte?«
»Nein, das ist mir neu.«
»Es ist sehr interessant. Ich werde Ihnen ein Buch darüber zu lesen geben.«
»All right.«
Wir saßen eine Weile schweigend da und tranken. Die Girls waren alle Mitte 30, attraktiv und sehr sexy, und sie wußten es.
»Wie gefallen Ihnen die Vorhänge?« fragte er mich.
»Die haben die Girls für mich gemacht. Die Girls haben sehr viel Talent.«
Ich sah mir die Vorhänge an. Sie waren zum Kotzen. Riesige rote Erdbeeren waren darauf, eingepackt in triefendes Blattwerk.
»Die Vorhänge gefallen mir«, sagte ich zu ihm.
Wilbur holte weiteres Bier aus dem Kühlschrank, und wir genehmigten uns weitere Drinks aus der Whiskyflasche. »Keine Sorge«, sagte Wilbur, »wir haben noch eine Flasche, wenn die hier alle ist.«
»Thanks, Wilbur.«
Er sah mich an. »Mein Arm wird steif.« Er hob den Arm und bewegte die Finger. »Ich kann kaum noch die Finger bewegen. Ich glaube, mit mir gehts zu Ende. Die Ärzte kommen nicht dahinter, was es ist. Die Girls denken, ich mache Witze; die Girls lachen über mich.«
»Ich glaube nicht, daß Sie Witze machen«, sagte ich zu ihm. »Ich glaube Ihnen.«
Wir kippten noch einige Drinks.
»Sie gefallen mir«, sagte Wilbur. »Sie sehen mir aus, als seien Sie schon ziemlich herumgekommen. Sie sehen aus, als hätten Sie Klasse. Die meisten Menschen haben keine Klasse. Sie haben Klasse.«
»Von Klasse versteh ich nichts«, sagte ich, »aber rumgekommen bin ich schon.«
»Kommen Sie mit ins andere Zimmer. Ich möchte Ihnen einiges aus der Oper vorspielen.«
»Gern«, sagte ich.
Wir machten eine neue Flasche auf, holten noch einiges Bier heraus und gingen ins andere Zimmer.
»Möchtest du gerne, daß ich dir eine Suppe mache, Wilbur?« fragte Grace.
»Hast du schon mal einen erlebt, der beim Orgelspielen eine Suppe löffelt?« gab er zurück.
Wir lachten alle. Wir mochten diesen Wilbur.
»Wenn er einen sitzen hat, schmeißt er immer Geld auf den Boden«, flüsterte mir Laura ins Ohr. »Er sagt fiese Sachen zu uns und wirft uns Münzen nach. Er sagt, mehr wären wir nicht wert. Er kann sehr fies werden.«
Wilbur stand auf, ging in sein Schlafzimmer, kam mit einer Schiffermütze auf dem Kopf zurück und setzte sich wieder an die Orgel. Er begann zu spielen, mit seinem einen Arm und seinen klammen Fingern. Sein Orgelspiel war sehr laut. Wir saßen da, tranken und hörten zu. Als er fertig war, klatschte ich Beifall.
Wilbur drehte sich auf seiner Orgelbank um. »Neulich abends waren die Girls hier oben«, sagte er, »und plötzlich brüllte jemand ›RAZZIA!‹ Sie hätten mal sehn sollen, wie die gerannt sind. Einige waren splitternackt, und die anderen hatten Slips und BH an, und alle rannten sie runter und versteckten sich in der Garage. Es war zum Totlachen. Ich saß hier oben, und sie kamen nacheinander wieder an, aus der Garage da unten. Das war wirklich ein Mordsspaß!«
»Wer hat denn ›RAZZIA‹ gebrüllt?« fragte ich.
»Ich«, sagte er.
Dann stand er auf, ging in sein Schlafzimmer und begann sich auszuziehen. Ich konnte sehen, wie er da drin im Unterzeug auf der Bettkante saß. Laura ging rein, setzte sich neben ihn aufs Bett und gab ihm einen Kuß. Dann kam sie heraus, und Grace und Jerry gingen rein. Laura machte mir ein Zeichen, deutete die Treppe hinunter. Ich ging runter und holte meinen Koffer herauf.

33
    Als wir am nächsten Morgen aufwachten, erzählte mir Laura einiges von Wilbur. Es war 9.30 Uhr, und im Haus war noch kein Laut zu hören. »Er ist Millionär«, sagte sie, »laß dich von dieser alten Bruchbude hier nicht täuschen. Sein Großvater hat in der ganzen Gegend hier Grundstücke aufgekauft, und sein Vater auch. Grace ist sein Girl, aber sie macht ihm das Leben sauer. Und er ist ein elender Geizkragen. Er liest in den Kneipen ständig Girls auf, die keine feste Bleibe haben. Aber er gibt ihnen nichts als Essen und ein Bett; Geld kriegen sie nie von ihm. Und zu trinken kriegen sie nur, wenn er auch was trinkt. Jerry hat ihn allerdings eines Abends drangekriegt. Er war geil und verfolgte sie um den Tisch rum, und sie sagte: ›Nee, nix

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