Faktotum
beibringen.«
»Ach wirklich?« sagte Grace.
»Yeah. Komm schon hier runter mit deinem großen Arsch, Grace, dann zeig ich dir, wie’s geht …«
Eine Stunde später – ich hatte inzwischen das meiste Geld vor mir liegen – kam plötzlich Wilbur Oxnard die Treppe herunter. Und so fand uns also Willie bei seiner Rückkehr vor – betrunken und am Zocken.
» Ich dulde kein Glücksspiel auf diesem Schiff! « schrie er uns von der untersten Treppenstufe entgegen. Grace stemmte sich vom Fußboden hoch, ging zu ihm hin, nahm ihn in die Arme und hängte ihm ihre lange Zunge in den Mund. Dann griff sie ihm an die Weichteile. »Wo ist denn mein Willie so lang gewesen? Hat seine Grace ganz einsam und allein auf dem großen Schiff gelassen. Ich hab meinen Willie ja so vermißt.«
Willie kam lächelnd zu uns her. Er setzte sich an den Tisch, und Grace holte eine Flasche Whisky heraus und machte sie auf. Wilbur goß die Drinks ein. Er sah mich an: »Ich mußte nach Hause und noch ein paar Takte an der Partitur meiner Oper ändern. Bleibt es dabei, daß du das Libretto schreibst?«
»Das Libretto?«
»Den Text.«
»Um ehrlich zu sein, Wilbur, darüber hab ich mir noch nicht viel Gedanken gemacht, aber wenn dirs wirklich ernst damit ist, dann werd ich dran arbeiten.«
»Es ist mir ernst damit.«
»Ich werde morgen anfangen.«
Genau in diesem Augenblick langte Grace unter den Tisch und machte Wilbur den Reißverschluß auf. Das sah nach einer erfreulichen Nacht für uns alle aus.
35
Ein paar Tage danach saß ich gerade mit Grace und Laura im »Green Smear« an der Bar, als Jerry hereinkam. »Whiskey sour«, sagte sie zum Barkeeper. Als der Drink kam, saß Jerry nur da und starrte ihn an.
»Hör zu, Grace, du warst letzte Nacht nicht da. Ich war da, bei
Wilbur.«
»Schon gut, Honey. Ich hatte was Geschäftliches zu erledigen.
Ich laß den Alten ganz gern mal zappeln.«
»Grace, er war richtig am Boden zerstört. Henry war nicht da,
Laura war nicht da. Er hatte niemand, mit dem er reden konnte.
Ich hab versucht, ihm zu helfen.«
Laura und ich hatten auf einer Party in der Wohnung des
Barkeepers die ganze Nacht durchgemacht und anschließend
dort gepennt. Wir waren von da aus direkt wieder in die Kneipe
gegangen. Ich hatte immer noch nicht mit der Arbeit an dem
Libretto begonnen, und Wilbur war hinter mir her gewesen. Er
wollte, daß ich all diese verdammten Bücher lese. Ich hatte
schon vor langer Zeit aufgehört, überhaupt irgendwas zu lesen. »Er hat schwer getrunken. Er hat sich über den Wodka hergemacht, hat ihn pur in sich reingeschüttet. Er hat dauernd nach dir
gefragt, Grace. Wollte wissen, wo du bist.«
»Das könnte Liebe sein«, sagte Grace.
Jerry trank ihren Whiskey sour und bestellte sich noch einen.
»Ich wollte nicht, daß er zuviel trinkt«, sagte sie, »deshalb nahm
ich die Flasche Wodka, als er mal wegsackte, und kippte einiges
davon aus und füllte es mit Wasser wieder auf. Aber er hatte
schon zuviel von dem hochprozentigen Zeug intus. Ich hab ihm
immer wieder gesagt, er soll endlich ins Bett kommen …« »Ach ja?« sagte Grace.
»Ich hab ihm immer wieder gesagt, er soll ins Bett kommen,
aber er wollte einfach nicht. Er war so kirre, daß ich schließlich
mitsaufen mußte. Jedenfalls, ich wurde müde, der Sprit setzte
mir zu, und ich ließ ihn da hocken in seinem Sessel, mit seinem
Wodka.«
»Du hast ihn nicht ins Bett gekriegt?« fragte Grace. »Nee. Heute früh, als ich reinkam, da saß er immer noch in
diesem Sessel, mit dem Wodka neben sich. ›Guten Morgen,
Willie‹, sagte ich. Seine Augen waren offen. Ich hab noch nie so
wunderschöne Augen gesehen. Das Fenster war auf, und die
Sonne brachte seine Augen zum Leuchten, und es lag soviel
Seele drin.«
»Ich weiß«, sagte Grace. »Willie hat wunderschöne Augen.« »Er gab mir keine Antwort. Ich konnte ihn nicht zum Reden
bringen. Ich ging ans Telefon und rief seinen Bruder an, du
weißt schon, den Arzt, der süchtig ist. Sein Bruder kam rauf und
sah ihn an und hängte sich ans Telefon, und wir saßen da, bis so
zwei Typen raufkamen, und die machten Willie die Augen zu
und steckten eine Spritze in ihn rein. Dann saßen wir rum und
redeten eine Weile, und dann sah der eine Typ auf die Uhr und
sagte ›Okay‹, und sie standen auf und nahmen Willie aus dem
Sessel und legten ihn auf eine Tragbahre. Dann trugen sie ihn da
raus, und das wars.«
»Scheiße«, sagte Grace, »jetzt sitz ich in der Tinte.« »Du sitzt in der Tinte«, sagte Jerry. »Ich hab
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