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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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immer noch
meine fuffzig Dollar im Monat.«
»Und deinen dicken fetten Arsch«, sagte Grace.
»Und meinen dicken fetten Arsch«, sagte Jerry.
Laura und ich wußten, daß wir in der Tinte saßen. Es war nicht
nötig, daß wirs auch noch laut sagten.
Wir saßen alle da an der Bar und versuchten uns zu überlegen,
was wir jetzt anfangen sollten.
»Ich frag mich«, sagte Jerry, »ob ich ihn umgebracht hab.« »Ihn umgebracht? Wie denn?« fragte ich.
»Weil ich ihm seinen Wodka mit Wasser verdünnt hab. Er hat
ihn immer pur getrunken. Vielleicht war es das Wasser, was ihn
umgebracht hat.«
»Schon möglich«, sagte ich.
Dann winkte ich den Barkeeper zu mir her. »Tony«, sagte ich,
»würdest du bitte der dicklichen kleinen Dame da einen Wodka
mit Wasser servieren?«
Grace fand das nicht besonders witzig.
Ich war nicht dabei, aber ich ließ mir hinterher erzählen, wie
es weitergegangen war: Grace ging zurück zu Wilburs Haus und
fing an, gegen die Tür zu hämmern, sie hämmerte und schrie
und hämmerte, und der Bruder, der Arzt, kam an die Tür, ließ
sie aber nicht rein; er war in Trauer und voll bis obenhin mit
Rauschgift, und er ließ sie nicht rein, aber Grace wollte einfach
nicht aufstecken. Der Doktor kannte Grace nicht sehr gut (und
das hätte ihm eigentlich leid tun sollen, denn sie war eine
erstklassige Fickliese), und er ging ans Telefon, und die Polente
kam, aber sie war völlig außer sich, und sie mußten sie zu zweit
festhalten, um ihr die Handschellen anlegen zu können. Sie
machten den Fehler, ihr die Hände nach vorn zu fesseln, und sie
riß die Hände hoch und schlug dem einen Bullen die Handschellen ins Gesicht, und er hatte einen klaffenden Riß in der Backe, so daß man glatt reinsehen konnte bis zu seinen Zähnen. Weitere Bullen kamen an und nahmen die kreischende und um sich schlagende Grace mit, und danach sahen wir sie nie wieder, und wir anderen sahen uns auch nie wieder.

36
    Endlose schweigende Reihen von Fahrrädern. Kästen voll Ersatzteile. Reihen und Reihen von Fahrrädern, die von der Decke hingen: grüne Räder, rote Räder, gelbe Räder, violette Räder, blaue Räder, Damenräder, Herrenräder, alle hingen sie da oben; die glitzernden Speichen, die Felgen, die Gummibereifung, der Lack, die Ledersättel, Rücklichter, Lampen, Handbremsen; Hunderte von Fahrrädern, eine Reihe nach der anderen.
    Wir hatten eine Stunde Mittagspause. Ich aß immer sehr schnell und begab mich dann zu einem versteckten Plätzchen, das ich unter den Fahrradgirlanden entdeckt hatte; denn gewöhnlich hatte ich die Nacht durchgemacht und war müde, und sämtliche Knochen taten mir weh. Ich kroch in mein Versteck unter den Rädern, die in drei Reihen hintereinander fein säuberlich aufgehängt waren. Da lag ich dann auf dem Rücken, und über mir schimmerten in makellosen Reihen die silberglänzenden Speichen und Felgen, die schwarzen Gummireifen, der nagelneue Hochglanzlack. Es war ein erhebender Anblick, alles so korrekt und ordentlich – 500 oder 600 Fahrräder, jedes an seinem Platz, bildeten einen Schirm über mir. Irgendwie lag ein tieferer Sinn darin. Ich sah zu ihnen hoch und wußte, daß ich 45 Minuten Ruhepause unter dem Fahrradbaum vor mir hatte.
    Doch gleichzeitig wußte ich: wenn ich nicht auf der Hut war, wenn ich mich von dem Gewoge dieser glitzernden neuen Fahrräder einlullen ließ, dann war es aus und vorbei mit mir, dann würde ich nie mehr die Kurve kriegen. Deshalb machte ich mirs bequem, ließ mich aber von dem Geglitzer der Speichen und Farben nur so ein bißchen berieseln.
    Wenn man verkatert ist, sollte man sich nie auf den Rücken legen und zum Dach eines Lagerhauses hinaufsehen. Das Dachgebälk setzt einem irgendwann zu; und die Fensterluken – man kann den Maschendraht im Glas erkennen und fühlt sich irgendwie an den Knast erinnert. Und dann die Augenlider, die einem immer schwerer werden, das sehnsüchtige Verlangen nach einem Drink, einem einzigen nur, und dann das Geräusch von Menschen, die wieder an die Arbeit gehen, du hörst sie, du weißt, deine sechzig Minuten sind um, irgendwie mußt du wieder auf die Beine kommen und rumlaufen und Bestellungen erledigen und das Zeug versandfertig machen …

37
    Sie war die Sekretärin des Geschäftsführers. Carmen hieß sie, aber sie war eine Blondine, trotz ihres spanischen Namens; und sie trug engsitzende Strickkleider, Schuhe mit hohen spitzen Absätzen, Nylons, Strumpfgürtel; dicke Schicht Lippenstift auf dem Mund, aber einen Gang

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