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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Krieg war für mich immer nur – bestenfalls – eine verschwommen wahrgenommene Realität gewesen. Jetzt war er vorbei. Eine Arbeit zu kriegen war schon die ganze Zeit schwierig gewesen, und jetzt wurde es noch schwieriger. Jeden Morgen stand ich auf und klapperte sämtliche öffentlichen Arbeitsvermittlungen ab, angefangen mit dem Farm Labor Market. Ich wälzte mich morgens um halb 5 verkatert aus dem Bett und kam gewöhnlich gegen Mittag zurück. Es war eine endlose Tour, von einer Arbeitsvermittlung zur nächsten. Manchmal erwischte ich was und durfte einen Tag lang einen Güterwaggon ausladen, aber das klappte erst, als ich dazu überging, die privaten Arbeitsvermittlungen aufzusuchen, die ein Drittel meines Lohnes einstrichen. Die Folge davon war, daß wir sehr wenig Geld hatten und mit der Miete immer weiter in Rückstand gerieten. Aber wir hielten uns wacker mit unserem Sortiment von Weinflaschen, liebten uns, kriegten uns in die Haare und warteten ab.
    Wenn ein bißchen Geld da war, gingen wir runter zum Grand Central Market und kauften uns billiges Suppenfleisch, Möhren, Kartoffeln, Zwiebeln und Sellerie. Das taten wir dann alles in einen großen Kochtopf und saßen davor und unterhielten uns in der beruhigenden Gewißheit, daß es bald etwas zu essen gab; wir ließen uns die Düfte in die Nase steigen – die Zwiebeln, das Gemüse, das Fleisch – und hörten zu, wie es vor sich hin köchelte. Wir drehten uns Zigaretten und gingen zusammen ins Bett, und dann standen wir wieder auf und sangen Lieder. Manchmal kam der Hausverwalter hoch, um uns zu sagen, daß wir ruhig sein sollten – und um uns daran zu erinnern, daß wir mit der Miete im Rückstand waren. Die Hausbewohner beschwerten sich nie, wenn wir uns in den Haaren hatten, aber sie hörten es nicht gerne, wenn wir sangen – ›I Got Plenty Of Nothing‹ ; ›Old Man River‹ ; ›Buttons And Bows, Tumbling Along With The Tumbling Tumbleweeds‹ ; ›God Bless America‹ ; ›Deutschland über alles‹ ; ›Bonaparte’s Retreat‹ ; ›I Get The Blues When It Rains‹ ; ›Keep Your Sunny Side Up‹ ; ›No More Money In The Bank‹ ; ›Who’s Afraid Of The Big Bad Wolf‹ ; ›When The Deep Purple Falls‹ ; ›A Tiskit A Tasket‹ ; ›I Married An Angel‹ ; ›Poor Little Lambs Gone Astray‹ ; ›I Want A Gal Just Like The Gal Who Married Dear Old Dad‹ ; ›How The Hell Ya Gonna Keep Them Down On The Farm‹ ; ›If I’d Known You Were Coming I’d Baked A Cake‹ …

43
    Eines Morgens fühlte ich mich so elend, daß ich um 4.30 Uhr nicht aus dem Bett kam – oder, nach unserer Uhr: 7.27 Uhr und dreißig Sekunden. Ich stellte den Wecker ab und schlief weiter. Ein paar Stunden später gab es draußen im Flur ein lautes
    Durcheinander. »Verdammt, was’n los?« fragte Jan.
    Ich stand auf. Ich schlief in Unterhosen. Die Unterhosen waren voll von Sportflecken – wir wischten uns mit Zeitungspapier ab, das wir zerknüllten, damit es nicht so hart war, und damit kriegte ich oft nicht den ganzen Saft weg. Außerdem waren meine Unterhosen zerschlissen und hatten Brandlöcher von der heißen Zigarettenasche, die mir immer wieder drauf runterfiel.
    Ich ging zur Tür und machte auf. Dicker Rauch quoll mir aus dem Flur entgegen. Ich erkannte Feuerwehrleute mit großen durchnumerierten Schutzhelmen. Feuerwehrleute mit einem langen dicken Schlauch. Feuerwehrleute in Asbestkleidung. Feuerwehrleute mit Äxten. Der Lärm und das Durcheinander waren unvorstellbar. Ich machte die Tür zu.
    »Was isses?« fragte Jan.
»Die Feuerwehr.«
»Ach so«, sagte sie. Sie zog sich die Decke über den Kopf und
    drehte sich auf die Seite. Ich kroch wieder neben ihr rein und schlief weiter.

44
    Endlich bekam ich eine Stelle in einem Versandhandel für Autozubehör. Es war in der Flower Street, unten in der Nähe der 11. Straße. Sie hatten nach vorne raus einen Laden, waren aber hauptsächlich im Versandgeschäft. Ich mußte mich erniedrigen, um diesen Job an Land zu ziehen – ich erzählte ihnen, ein Job sei für mich wie ein zweites Zuhause. Das gefiel ihnen.
    Ich hatte die Eingänge zu bearbeiten. Mußte auch ein halbes Dutzend Klitschen in der Gegend abklappern und Ersatzteile abholen. So kam ich wenigstens mal aus dem Laden raus.
    Eines Tages während der Mittagspause fiel mir ein aufgeweckter und intelligent aussehender junger Chicano auf, der in der Zeitung die Aufstellungen für die Pferderennen dieses Tages studierte.
    »Machst du Pferdewetten?« fragte

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