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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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brachte das Taxi auf 50 Meilen pro Stunde. »So, Pops«, sagte ich, »du hältst also den
    Rekord, was? Ich werd deinen Arsch vom Siegerpodest runterschießen wie nur was!«
    »Was?«
»Kratz dir das Schmalz aus den Ohren! Ich hab gesagt, ich säg dich ab, Pops! Ich hab mal Max Baer die Hand geschüttelt! Ich
    war mal Gärtner bei Tex Ritter! Deinen Arsch kannst du mit dem Löffel von der Wand schaben!«

    »Du tippst ja schon dauernd die Bremse an! Tu bloß deinen
    Fuß von der gottverdammten Bremse weg!«
»Sing mir was vor, Pops! Sing mir dein kleines Liedchen! Ich
hab vierzig Liebesbriefe von Mae West in meinem Dufflebag!« » Du kannst mich nicht absägen! «
Ich wartete nicht auf seine Kanone. Ich trat auf die Bremse.
Ich hatte richtig geraten. Seine Knarre ging im selben Augenblick los. Ich unterbot seinen Weltrekord um fünfzehn Fuß und
    neun Zehntelsekunden. Das sagte er jedenfalls zuerst. Dann überlegte er es sich anders und behauptete, ich hätte geschummelt.
    »Okay«, sagte ich, »schreib auf, was du willst, aber laß uns hier endlich den Schirm zumachen. Es sieht nicht nach Regen aus, und solange keiner fällt, gibts hier auch nichts zu angeln für uns.«

72
    Wir waren vierzig oder fünfzig Mann in der Fahrschule. Wir saßen alle auf kleinen Schulbänken, die am Boden festgeschraubt waren. Es waren Einzelbänke, und jede hatte rechter Hand ein flaches Brett, sowas wie eine Armstütze. Es erinnerte fatal an die alten Zeiten im Biologie- oder Chemie-Unterricht.
    Smithson machte die Anwesenheitsliste durch.
»Peters!«
»Yep.«
»Calloway!«
»Mhm.«
»McBride …«
(Schweigen)
»McBride?«
»Oh, hier.«
Die Liste war lang. Ich fand es ganz angenehm, daß sie hier so
    viele Jobs zu vergeben hatten, doch dann fand ich es auch wieder beunruhigend – wahrscheinlich hatten sie irgendwelche Ausscheidungskämpfe für uns auf Lager. Die sogenannte »natürliche Auslese«. In Amerika gab es immer Männer, die einen Job suchten. Arbeitskräfte waren immer verfügbar. Und ich wollte Schriftsteller werden. Schriftsteller war fast jeder. Nicht jeder glaubte, das Zeug zum Zahnarzt oder Automechaniker zu haben. Aber Schriftsteller? Das traute sich jeder zu. Von den fünfzig Typen in der Fahrschule hielten sich vermutlich fünfzehn für Schriftsteller. Mit Worten ging fast jeder um, und wer sie dazu auch noch hinschreiben konnte, der konnte auch Schriftsteller sein. Doch die meisten sind zum Glück keine Schriftsteller, sie sind nichtmal Taxifahrer, und manche Männer – viele Männer – sind bedauerlicherweise gar nichts.
    Smithson hatte inzwischen alle Namen aufgerufen und ließ jetzt seine Augen durch den Raum schweifen.
»Wir sind hier versammelt«, begann er und unterbrach sich gleich wieder. Er sah einen Schwarzen in der ersten Reihe an. »Spencer?«
»Ja.«
»Du hast den Draht aus deiner Mütze rausgenommen, stimmts?«
»Ja.«
»Also jetzt stell dir mal vor, du hockst in deinem Taxi, und die Mütze hängt dir über die Ohren runter wie bei Doug McArthur, und ne alte Dame mit Einkaufstüte kommt an und sucht ein Taxi, und du hockst da und läßt den Arm aus dem Fenster hängen, und sie wird denken, du bist ein Cowboy. Sie wird denken, du bist ein Cowboy, und sie wird nicht mit dir fahren wollen. Sie wird mit dem Bus fahren. Das mit der Mütze kannst du jederzeit in der Armee machen, aber wir sind hier bei Yellow Cab! «
Spencer langte runter auf den Boden, hob den Draht auf und machte ihn wieder in seine Mütze rein. Er brauchte den Job dringend.
»So. Also die meisten denken, sie verstehn was vom Fahren. Tatsache ist aber, daß nur ganz wenige was vom Fahren verstehen, alle anderen können bloß lenken. Ich staune jedesmal, wenn ich im Auto unterwegs bin, daß es nicht alle paar Sekunden kracht. Jeden Tag erlebe ich zwei oder drei, die bei Rot einfach durchfahren, als wär die Ampel gar nicht da. Ich bin kein Moralprediger, aber ich kann euch sagen: das Leben, das die Leute führen, macht sie wahnsinnig, und ihr Wahnsinn zeigt sich in ihrem Fahrstil. Ich bin nicht hier, um euch zu sagen, wie ihr leben sollt. Das müßt ihr schon euren Rabbiner oder euren Pfarrer oder eure Stammnutte fragen. Ich bin hier, um euch das Fahren beizubringen. Ich versuch unsere Versicherungsprämie niedrig zu halten und dafür zu sorgen, daß ihr abends wieder mit heilen Knochen nach Hause kommt.«
»Gottverdammich«, sagte der Kerl neben mir, »der alte Smithson ist wirklich ne Type, was?«
»Jeder Mensch ist ein Poet«, sagte

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