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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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sagten, mein Scheck wäre heute fertig.«
»Oh.«
Das Girl sah die Unterlagen durch. »Tut mir leid, Mr. Chinaski, aber Ihr Scheck ist noch nicht da.«
»Aber Sie sagten doch, er wäre heute fertig.«
»Tut mir leid, Sir, aber bei solchen Schecks dauert es manchmal ein bißchen.«
»Ich will meinen Scheck.«
»Tut mir leid, Sir.«
»Es tut Ihnen nicht leid. Sie wissen gar nicht, was Leiden ist. Ich weiß es. Ich will Ihren obersten Boß sprechen. Jetzt gleich.«
Das Girl nahm den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer. »Mr. Handler? Ein Mr. Chinaski möchte Sie sprechen. Er ist gekündigt worden, und es geht um seinen Scheck.«
Sie machte noch ein bißchen small talk. Schließlich sah sie mich an. »Zimmer 309.«
Ich ging zur Nummer 309. Auf dem Türschild stand »John Handler«. Ich machte die Tür auf. Handler war allein. Einer der leitenden Herren der größten und mächtigsten Zeitung im Westen. Ich setzte mich ihm gegenüber auf einen Stuhl.
»Also, John«, sagte ich, »sie haben mich mit einem Arschtritt rausbefördert, sie haben mich auf dem Weiberklo beim Schlafen überrascht. Meine Alte und ich sind zwei Tage hintereinander hier runtergelatscht, und jedesmal hieß es, der Scheck ist nicht da. Das ist natürlich eine faule Ausrede, das wissen Sie genau. Ich will nichts weiter als diesen Scheck in Empfang nehmen und mir einen ansaufen. Klingt vielleicht nicht besonders vornehm, aber das ist meine Sache. Wenn ich diesen Scheck nicht kriege, kanns passieren, daß ich mich vergesse.«
Dann warf ich ihm einen Blick zu, der direkt aus ›Casablanca‹ hätte stammen können. »Ham Sie mal was zum Rauchen?«
John Handler gab mir was zum Rauchen. Er gab mir sogar Feuer. Entweder schmeißen sie jetzt ein Netz über mich, dachte ich, oder ich kriege meinen Scheck.
Handler hob den Telefonhörer ab. »Miß Simms. Da ist ein Scheck fällig für einen Mr. Henry Chinaski. Den will ich in fünf Minuten hier auf dem Tisch haben. Danke.« Er legte auf.
»Hören Sie, John«, sagte ich, »ich habe zwei Jahre Journalismus gemacht, am L. A. City College. Sie brauchen nicht zufällig einen Reporter, oder?«
»Sorry, im Moment sind wir voll.«
Wir unterhielten uns noch ein paar Minuten, dann kam eine rein und gab John den Scheck. Er reichte ihn mir über den Schreibtisch. Ein anständiger Kerl. Ich hörte später, daß er kurz danach starb, aber Jan und ich kriegten unser Irish-Stew und unser Gemüse und unseren französischen Wein, und wir lebten weiter.
Ich nahm die Karte, die sie mir im Arbeitsamt gaben, und ging zu meinem Einstellungsgespräch. Es war ein paar Blocks östlich von der Main Street und ein bißchen nördlich vom Elendsviertel. Die Firma handelte mit Bremsbelägen. Ich zeigte im Personalbüro meine Karte vor und füllte ein Bewerbungsformular aus. Ich gab für meine früheren Jobs längere Beschäftigungszeiten an – aus Tagen machte ich Monate, und aus Monaten machte ich Jahre. Die meisten Firmen machten sich nicht die Mühe, solche Angaben nachzuprüfen. Bei Firmen, die nur Leute mit polizeilichem Führungszeugnis einstellen durften, hatte ich keine große Chance. Da würde sich rasch herausstellen, daß ich ein Vorstrafenregister hatte. In dem Laden mit den Bremsbelägen wurde nicht nach einem Führungszeugnis gefragt. Ein weiteres Problem war, daß einen die meisten Firmen nach zwei oder drei Wochen beknieten, man soll doch ihrer innerbetrieblichen Versorgungskasse beitreten, aber zu dem Zeitpunkt war ich gewöhnlich schon wieder weg.
Der Mann warf einen Blick auf meine Bewerbung, dann drehte er sich zu den zwei Frauen im Büro um und sagte in scherzhaftem Tonfall: »Der hier will einen Job. Meint ihr, er wirds bei uns aushalten?«
Manche Jobs waren verblüffend leicht zu kriegen. Ich erinnere mich an einen Fall, da kam ich rein, fläzte mich auf einen Stuhl und gähnte. Der Typ hinter dem Schreibtisch sagte: »Ja? Was wollen Sie?« – »Ach zum Deibel«, sagte ich, »schätze, ich brauch ’n Job.« – »Sie sind eingestellt.«
Andere Jobs dagegen waren für mich unerreichbar. Die Southern California Gas Company hatte Anzeigen in den Zeitungen, in denen sie hohe Löhne anboten, frühzeitigen Anspruch auf Rente usw. usw. Ich weiß nicht, wie oft ich da hinging und denen ihre gelben Bewerbungsformulare ausfüllte, wie oft ich auf diesen harten Stühlen saß und mir gerahmte Bilder von Rohrleitungen und Gasbehältern ansah. Es kam nie zu einem Einstellungsgespräch, und immer, wenn ich einem Gasmann

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