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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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ich ziemlich sicher sein, daß ich keinen Krebs habe. Völlige Gewißheit indessen würde mir erst der 75-Dollar-Test verschaffen; wenn ich den erfolgreich absolviert hätte, könnte ich aufatmen. Das würde dann heißen, daß meine Beschwerden auf Alkoholismus oder Nervenkrankheit oder Syphilis zurückzuführen seien. Die nehmen wirklich kein Blatt vor den Mund, diese Weißkittel, diese Herzchen von der American Cancer Society. »Also mit anderen Worten«, sagte ich, »ihr wollt hundert Dollar von mir.« – »Mhm«, sagten sie. Ich machte auf dem Absatz kehrt und soff drei Tage lang, und weg waren die Schwellungen und die Schwindelanfälle und das Blutspucken.
    Als ich jetzt zur Yellow Cab Company ging, kam ich am Cancer Building vorbei, und das erinnerte mich daran, daß es Schlimmeres gab, als einem Job hinterher zu laufen, den man sowieso nicht wollte. Ich ging rein, und es ließ sich ganz einfach an, die längst vertraute alte Tour mit den Formularen, den Fragen usw. Das einzig Neue war, daß sie einem die Fingerabdrücke abnahmen, aber darin hatte ich Erfahrung. Locker aus dem Handgelenk drückte ich die Finger auf das Stempelkissen, und das Girl machte mir ein Kompliment, daß ich mich so geschickt anstellte. Mr. Yellow sagte, ich solle am nächsten Tag zur Fahrschule erscheinen, und so hatten Jan und ich an diesem Abend Grund zum Feiern.

71
    Janeway Smithson war ein kleiner, bekloppter, grauhaariger Kampfhahn von einem Mann. Er packte fünf oder sechs von uns in ein Taxi rein, und wir fuhren runter zum Flußbett des Los Angeles River. Dazu muß man wissen, daß der L. A. River damals gar kein richtiger Fluß war – es gab kein Wasser, nur das breite, flache, trockene zementierte Flußbett. Die Stadtstreicher hausten da unten zu Hunderten in kleinen Höhlen unter den Brücken und Überführungen. Manche hatten sogar Topfpflanzen vor ihren Löchern stehen. Um wie Gott in Frankreich zu leben, brauchten sie nur Canned Heat (billigen Fusel), und den Rest lieferte ihnen die nahegelegene Müllkippe. Sie waren braungebrannt und relaxed, und die meisten sahen erheblich gesünder aus als der durchschnittliche Geschäftsmann in Los Angeles. Diese Kerle da unten hatten keine Probleme mit Frauen, Einkommensteuer, Hausbesitzern, teuren Beerdigungen, Zahnärzten, Ratenzahlungen, Autoreparaturen oder dem Gang zur Wahlurne.
    Janeway Smithson machte seinen Job schon seit 25 Jahren und war so blöde, auch noch stolz darauf zu sein. Er hatte eine Pistole in der rechten Hosentasche und brüstete sich, er habe beim Bremstest die Karre in kürzerer Zeit und mit kürzerer Bremsspur zum Stehen gebracht als jeder andere in der Geschichte der Yellow Cab Company. Wenn ich mir Janeway Smithson so ansah, dann kam mir der Verdacht, daß das entweder eine Lüge war, oder daß er unverschämtes Glück gehabt hatte; und daß Smithson, genau wie jeder andere mit 25jähriger Firmenzugehörigkeit, total bescheuert war.
    »Okay«, sagte er. »Bowers, du fängst an. Du bringst die Scheißkarre auf 45 Meilen pro Stunde, und die Geschwindigkeit hältst du. Ich hab hier in der rechten Hand die Pistole und in der linken Hand eine Stoppuhr. Wenn ich abdrücke, steigst du auf die Bremse. Wenn du nicht schnell genug reagierst, kannst du ab sofort jeden Mittag an der Ecke Seventh und Broadway grüne Bananen verkaufen … Nein, du sollst nicht auf meinen Finger am Abzug schielen, du Arschloch! Schau gradeaus! Ich werd dir jetzt ein kleines Liedchen vorsingen. Ich werd dich einlullen. Die Knarre hier wird losgehen, wenn du am wenigsten damit rechnest!«
    Genau in diesem Augenblick drückte er ab. Bowers stand auf der Bremse. Wir schleuderten und schlitterten und drehten uns. Staubwolken wirbelten auf, während wir zwischen riesigen Betonpfeilern durchrutschten. Schließlich kam das Taxi nach einem kreischenden Bremsweg zum Stehen und ruckelte noch einmal hart nach. Einer auf dem Rücksitz schlug sich dabei die Nase blutig.
    »Hab ichs geschafft?« fragte Bowers.
»Das verrat’ ich dir noch nicht«, sagte Smithson und schrieb etwas in sein kleines schwarzes Buch. »Okay, De Esprito, du bist der nächste.«
De Esprito setzte sich hinters Lenkrad, und es gab nochmal das gleiche in Grün. Nacheinander kamen sämtliche Fahrschüler dran, wir fuhren das Flußbett des L. A. River auf und ab, die Bremsbacken glühten, der Gummi stank, und die Knarre ging los. Ich war als letzter an der Reihe. »Chinaski«, sagte Smithson.
Ich klemmte mich hinters Lenkrad und

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