Falaysia Bd 2 - Trachonien
erregend waren. Dennoch konnte Jenna diesen Ausdruck innerer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit nicht abstellen, brachte es nicht fertig, sich von allein aus ihrem emotionalen Kollaps zu befreien. Wie auch? Sie hatte mit Leon ihren letzten seelischen Halt, ihren letzten Anker auf der Seite der psychisch einigermaßen stabilen Menschen verloren. In den letzten Tagen war zu schnell zu Vieles passiert, was eigentlich nicht passieren durfte, was nicht möglich war. Ihr Verstand und vor allem ihre Psyche konnten das alles nicht mehr verarbeiten, waren damit völlig überfordert.
Sie war zwar immer schon sehr gut darin gewesen, schlimme Dinge aus ihren Gedanken zu verbannen, sie, so gut es ging, zu verdrängen, um weitermachen zu können, weiter zu funktionieren, doch früher oder später erreichte auch sie einen Punkt, an dem diese inneren Abwehrmechanismen, ihre bisherigen Überlebensstrategien versagten. Dann stürzten all ihre Probleme plötzlich unaufhaltsam über ihr zusammen und gaben ihr das Gefühl, ihre derzeitige Lebenssituation nicht mehr bewältigen zu können. In solchen Momenten begann sogar sie – die sonst immer so stark war – zu verzweifeln, zu einem jämmerlichen Häufchen Elend zu werden, dessen Gedanken sich nur noch um diese scheinbar unlösbaren Probleme und um den Fakt drehten, dass sie mit ihren Kräften und ihrer Weisheit am Ende war.
So war es auch dieses Mal. Trotz allem konnte und wollte sie sich mit ihrer Situation nicht abfinden. Vielleicht machte gerade das es ihr so schwer, sich wieder zu beruhigen. Sie gehörte nicht in diese Welt. Sie war nicht dafür geschaffen, gegen seltsame Fabelwesen zu kämpfen und zuzusehen, wie sich Menschen gegenseitig abschlachteten, ohne mit der Wimper zu zucken, ohne Mitleid oder Reue zu zeigen. Sie wollte wieder nach Hause zu ihrer Familie und ihren Freunden. Sie konnte nicht länger hier bleiben… konnte nicht…
Ein weiteres todtrauriges Schluchzen kam ungewollt über ihre Lippen und tatsächlich gelang es ihrem erschöpften Körper, noch zwei weitere Tränen zu produzieren, die langsam ihre Wangen hinunterrollten. Dieses Mal blieb ihr leises Leiden jedoch nicht unkommentiert. Ein genervtes Seufzen ertönte und veranlasste sie dazu, ängstlich ihren Kopf zu heben.
Da saß er, der Verräter, der Mann, dem sie nur für einen kleinen Moment vertraut hatte und der ihr Vertrauen so hinterhältig missbraucht hatte; das Raubtier, das dazu in der Lage war, Menschen innerhalb von Sekunden zu töten… oder ihnen andere schlimme Dinge anzutun. Wie hatte sie nur so naiv, so dumm sein können?
„Bist du irgendwann damit fertig?“ wagte er nun auch noch zu fragen und hob nachdrücklich die Brauen. Gut – besonders gefährlich sah er gerade nicht aus. Sie musste zugeben, dass er bisher sogar relativ sanft und geduldig mit ihr umgegangen war, ihr Weinen und Schluchzen über Stunden ohne Murren ertragen hatte. Und er hielt bewusst Abstand zu ihr, seit sie vom Pferd gestiegen waren, hatte sie nur kurz gefesselt, als er allein aufgebrochen war, um ihr Abendessen zu ‚besorgen‘. Im Großen und Ganzen hatte er bisher eher den Eindruck erweckt, als würde er alles dafür tun wollen, dass sie ihre Angst vor ihm verlor und sich wieder beruhigte. Seine Geduld schien nun allerdings ein jähes Ende zu nehmen.
„Ich kann ja verstehen, dass dich das alles ziemlich mitgenommen hat – ab einem gewissen Punkt versagen auch die Nerven der tapfersten Menschen“, fuhr er fort und stocherte mit einem Stock ein wenig in der Glut des kleinen Feuers herum, vor dem sie beide saßen, „aber langsam wird dieses Geheule nicht nur albern, sondern auch noch gesundheitsschädigend. Wenn du wüsstest, wie du inzwischen aussiehst, hättest du wahrscheinlich längst damit aufgehört. Du weißt, weibliche Eitelkeit und so…“
Seine Mundwinkel hoben sich zu einem provokanten Grinsen und natürlich gelang ihm genau das, was er mit seinen gemeinen Worten bezweckte: Jenna ärgerte sich. Wie konnte er es wagen, sich auch noch über ihren Zustand lustig zu machen?!
„Ist… ist mir doch egal, wie ich aussehe“, platzte es aus ihr heraus. „Und ich… ich heule solange, wie… wie ich will…“ Gott! Noch kindischer ging es ja wohl kaum!
Marek lachte leise und schüttelte den Kopf. Seine Augen verengten sich ein wenig, als er sie kurz musterte – ein Zeichen dafür, dass er über etwas nachdachte, etwas, das ihr bestimmt nicht gefallen würde.
„Gut“, sagte er schließlich und
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