Falaysia - Fremde Welt: Band 1 (German Edition)
dessen Leben für immer zerstört.
Seitdem waren viele Jahre vergangen. Sie war geflohen, war in der Welt herumgereist, hatte sich vor Demeon versteckt. Doch er hatte niemals Ruhe gegeben. Immer wieder hatte er sie aufgesucht, um sie in Versuchung zu führen, das ‚Spiel‘ weiter zu spielen, hatte ihre Schuldgefühle verstärkt und ihre Angst geschürt, aber sie war standhaft geblieben. Jedes Mal. Sie hatte seinem Bitten und Drängen, seinem Charme, seinen Flüchen und Drohungen nie nachgegeben. Und irgendwann, nachdem sie ihm ein weiteres Mal entkommen war, hatte er scheinbar aufgegeben. Das hatte sie zumindest geglaubt, bis er gestern vor ihr gestanden hatte, mit diesem angriffslustigen Funkeln in seinen Augen und dieser dunklen Energie, die ihn dieses Mal stärker zu durchströmen schien als jemals zuvor.
Sie hatte es sich nicht anmerken lassen, doch er hatte ihr Angst gemacht, weil sie genau gespürt hatte, dass er sie wieder bedrängen würde, schlimmer als beim letzten Mal, denn etwas schien ihm Druck zu machen, ihn anzutreiben – auch das hatte sie gefühlt.
Sie hatte ihn abwimmeln können, aber nur, weil eine alte Freundin aufgetaucht war. Er würde wiederkommen. Bald. Und dann würde sie kämpfen müssen – mit allen Mitteln – um das Unheil ein weiteres Mal abzuwenden, zu verhindern, dass erneut Unschuldige für ihn und sein krankes ‚Spiel‘ litten. Und danach würde sie wieder umziehen, sich erneut für eine Weile vor ihm verstecken, den Kontakt zu dem bisschen Familie, das ihr noch geblieben war, abbrechen müssen.
Sie atmete stockend ein und aus, während zwei weitere Tränen den Weg über ihre Wangen hinunter zu ihrem Kinn fanden. Sie würde Jenna vermissen. Die junge Frau war ihrer Mutter so ähnlich – so ein guter, verzeihender, sanfter Mensch… so offen für die Welt, so bereit Gutes zu tun… beinahe ein wenig naiv…
Sie war die Einzige gewesen, die sich nach der zaghaften Kontaktaufnahme Melina gegenüber freundlich verhalten hatte, auf sie zugegangen war. Sie war die Einzige, die ihr nicht die Schuld an dem Tod Annas gab, obwohl sie hier tatsächlich keine Schuld traf. Sie waren sich in den letzten Monaten so nahe gekommen… Es tat weh, daran zu denken, sie nicht mehr zu sehen, nicht mehr mit ihr zu reden. Doch es war richtig so, denn es war der einzige Weg, die junge Frau vor Demeon zu beschützen, bevor er bemerkte, dass sie ähnlich besonders war wie ihre Mutter oder ihre Tante… bevor sie es selbst bemerkte…
Ein kühler Windhauch wehte in das Zimmer, brachte ein seltsames energetisches Prickeln mit sich, das einen Schauer Melinas Rücken hinunter sandte und sie erstarren ließ. Ihr Herz machte einen kleinen Satz und schlug dann sehr viel schneller als zuvor. Er war wieder da…
„Du bist sehr unvorsichtig“, ertönte nur wenige Sekunden später seine tiefe Stimme hinter ihr.
Melina reagierte nicht auf ihn, sah sich noch nicht einmal um, sondern legte nur das Foto mit der Rückseite nach oben auf den Glastisch vor sich.
„Deine Haustür war nicht verschlossen und das, wo zu dieser späten Zeit so viele böse Menschen unterwegs sind!“
„Es gibt nichts, wovor ich mich fürchten müsste“, erwiderte Melina gelassen. ‚Außer dir‘, setzte sie gedanklich hinzu.
Demeon lachte kurz auf. „Derselbe gutgläubige Mensch wie früher…“ Sie fühlte, dass er den Kopf schüttelte. „Hast du denn gar nichts aus deinen Fehlern gelernt?“
Melina wandte sich langsam um. Demeon stand dicht hinter ihr, mit einem zynischen Lächeln auf den vollen Lippen. Irgendwie musste es ihm gelungen sein, den Perlenvorhang, der das Wohnzimmer vom Flur trennte, geräuschlos zu überwinden. Aber das war ja auch nichts Besonderes für Menschen wie sie und Demeon.
„Du kommst heute aber schnell wieder auf den Punkt“, stellte Melina fest. „Das ist doch sonst nicht so deine Art.“
In Demeons Augen blitzte es kurz auf. „Tja, alles ändert sich. Auch ich.“
„Tust du das?“ konterte Melina lächelnd.
Demeon lief um den Tisch herum und ließ sich dann geschmeidig auf dem Sessel ihr gegenüber nieder.
„Ja“, sagte er und bemühte sich sehr darum, sie treuherzig anzusehen. „Denn ich bin nicht gekommen, um dich dazu zu bringen, das Spiel zu Ende zu spielen.“
„Nein?“ Melina hob zweifelnd die Brauen.
„Nein“, bestätigte er nachdrücklich. „Ich will nur noch die Menschen befreien, die wir so erbärmlich im Stich gelassen
Weitere Kostenlose Bücher