Falaysia - Fremde Welt: Band 1 (German Edition)
einen verdammt langen Atem. Wenn ihr etwas nicht passte, dann wehrte sie sich dagegen mit aller Kraft, bis sie sich entweder durchsetzte oder beleidigt zurückzog. Nur selten gab sie ihm Recht. Meist passte sie sich ihm nur an, weil sie keine andere Option hatte und das war ziemlich frustrierend für ihn.
Auf der anderen Seite fühlte Leon aber auch so etwas wie Respekt für diese Frau in ihm wachsen. Es gab nur wenige Menschen, die so viel Kraft und Ausdauer in sich hatten, so viel ertragen konnten ohne dabei zusammenzubrechen. Und dann gab es da noch diese mysteriöse Seite an ihr, die sie selbst vor der Geschichte mit dem Stein so wenig wahrgenommen hatte wie er. Er glaubte ihr mittlerweile, dass sie nichts von ihren magischen Kräften wusste und sein Misstrauen ihr gegenüber hatte sich dadurch schnell wieder verflüchtigt und einem unterschwelligen Interesse an genau diesen Kräften Platz gemacht. Eigentlich hatte er es schon damals im Wald bemerkt, als die Zaishomas so eigenartig auf sie reagiert hatten. Nur Menschen mit einer magischen Veranlagung konnten diese winzigen Wesen hören, hieß es im Volksmund – was nicht bedeutete, dass es unbedingt wahr war. Ausschließen konnte man es jedoch nicht und da Leon ein sehr vorsichtiger Mensch war, zog er jede Möglichkeit in Betracht, natürlich ohne andere Menschen davon wissen zu lassen.
Wie schon viele Male zuvor landete ein kalter, nasser Tropfen auf seiner Stirn und er wischte ihn verärgert fort. Dieses Wetter machte ihn wahnsinnig! Er hasste es, festzusitzen und nichts weiter tun zu können als nachzudenken – ganz davon abgesehen, dass ein zu langes Verweilen an ein und demselben Ort in ihrer Situation sogar gefährlich war. Marek ließ sich gewiss selbst von einem solchen Unwetter nicht aufhalten. Er nahm garantiert jede Unannehmlichkeit und Gefahr in Kauf, nur um sich zu rächen und den Stein wieder in seine Klauen zu bekommen. Und vielleicht war ihm selbst das nicht mehr genug. Vielleicht wollte er auch Jenna. Er war alles andere als ein dummer Mensch und hatte gewiss bemerkt, was mit ihr los war. Wahrscheinlich wusste er sogar mehr als jeder andere, denn er war ja eigentlich der rechtmäßige Besitzer des Amuletts gewesen und er hatte direkte Verbindungen zu dem mächtigsten Magier des Landes.
Arme Jenna. Wenn er sie erwischte, stand es gar nicht gut um sie. Wer wusste schon, was dieser Teufel dann mit ihr machte? Ob er sie gleich tötete, um das Risiko, dass sie den Stein wieder stahl, zu tilgen? Oder brachte er sie zu Nadir, um herauszufinden, was es mit ihr und diesem magischen Gegenstand auf sich hatte? Eigentlich war das auch egal. Leiden würde sie in jedem Fall, denn Marek war ein furchtbar rachsüchtiger Mensch und würde ihre Tat ganz bestimmt nicht ungesühnt lassen.
Leons ganzes Inneres verkrampfte sich bei diesem Gedanken und rebellierte gegen die Bilder, die sofort in seinem Geist wachgerufen wurden. Nein, ihr durfte nichts geschehen. Er würde sich ewig Vorwürfe machen, wenn ihr etwas zustieß. Er konnte nicht schon wieder versagen, würde für sie kämpfen, sie beschützen, auch wenn alles noch so hoffnungslos erschien und es das Letzte war, was er in seinem Leben noch tat. Sara hatte er nicht retten können, aber jetzt hatte er die Chance, das wiedergutzumachen. Jenna war noch nicht verloren.
Irgendwie sah sie aus wie ein kleines Kind, so wie sie da saß, durchnässt und frierend, so hilflos und allein gelassen. Ein Kind, das keine Ahnung von dem hatte, was auf es zukam und das Bedürfnis sie zu beschützen, komme was wolle, wurde noch stärker und drängender.
Aus irgendeinem Grund erwachte sie aus ihrer geistigen Abwesenheit und sah ihn an. Erst schien es so, als wolle sie lächeln, doch dann nahm ihr Gesicht wieder diesen kühlen, etwas eingeschnappten Ausdruck an, den er schon seit einer ganzen Weile ertragen musste, und sie sah bewusst in eine andere Richtung. Also war sie immer noch wütend auf ihn. Wie konnte man nur so nachtragend sein? Schließlich war es nicht sie gewesen, die an ihre schmerzhafte Vergangenheit erinnert worden war. Es war nicht sie gewesen, die damit hatte kämpfen müssen, die Geschichte von Marek zu erzählen, ohne dabei Sara zu erwähnen. Es war so verdammt schwer gewesen, hatte so wehgetan…
Leon wandte sich nun ebenfalls von ihr ab und betrachtete stattdessen das behelfsmäßige Dach, das er über ihren Köpfen angefertigt hatte. Es war zwar etwas durchlässig, hielt jedoch den größten Teil des
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