Falaysia - Fremde Welt: Band 1 (German Edition)
Regens von oben ab. Wenigstens dafür hätte Jenna ihm ein wenig dankbar sein können. Aber nein, sie musste ja weiterhin eingeschnappt sein und ihm die kalte Schulter zeigen. Dann musste sie halt lernen, dass man damit bei ihm nicht durchkam.
Ein wenig Verständnis hatte er ja für ihre Wut. Wenn er an ihrer Stelle gewesen wäre, hätte er sich vielleicht genauso verhalten wie sie. Es ging ihr möglicherweise gar nicht mehr um ihren letzten Streit, sondern eher darum, dass er sie, was das Ziel ihrer Reise anging, so im Unwissen ließ. Als sie am Morgen des vierten Tages nach ihrer Flucht in Ritvak statt in Bantjor angekommen waren, wäre Jenna beinahe vor Wut geplatzt. Es hatte sie furchtbar aufgeregt, dass er sie nicht in seine Pläne eingeweiht, ja, sie sogar belogen hatte und sich weiterhin weigerte ihr Auskunft über ihr nächstes Ziel zu geben. Dabei hatte er ihr doch erklärt, warum er sich so verhielt, dass es um die Sicherheit seines Freundes, ja gar um die König Renons und seiner Männer ging. Doch sie hatte es nicht verstanden, ihm unterstellt, dass er ihr nicht vertraue und sie für ein kleines, dummes Mädchen hielt, das alles falsch mache.
Als würde er so etwas von ihr denken. Gut, sein volles Vertrauen hatte sie noch nicht, aber das wäre doch auch zu viel verlangt nach der kurzen Zeit, die sie sich erst kannten. Doch er hielt sie ganz sicher nicht für dumm. Sie kam mit dem Leben hier in Falaysia noch nicht so gut klar, aber dafür konnte sie nichts und er verachtete sie deswegen bestimmt nicht. Sie war erst einmal auf seine Hilfe angewiesen, aber das schien sie mehr zu stören als ihn. Ohne sie wäre alles vielleicht leichter gewesen, aber auf keinen Fall besser – ganz davon abgesehen, dass er ohne ihre Hilfe wahrscheinlich bereits tot sein würde.
Er mochte sie doch, konnte sie das nicht erkennen? Warum konnte sie sich nicht damit zufrieden geben, ihn bei sich zu haben, als Beschützer und Freund? Warum konnte sie ihn nicht alles so machen lassen, wie er wollte, wie es getan werden musste ? Er hatte doch von den Dingen hier viel mehr Ahnung. Aber sie musste sich dauernd einmischen, Fragen stellen, eigene Pläne entwickeln, über alles Bescheid wissen. Er hatte es nicht leicht mit dieser eigenwilligen Frau. Und jetzt schmollte sie auch noch, wo sein Kopf bereits vor Sorgen zu platzen drohte. Frauen!
Er wandte sich wieder zu ihr um, um den nächsten bösen Blick zu erhaschen, doch zu seinem Erstaunen hatte sie die Augen geschlossen und schien eingeschlafen zu sein. Wie konnte man bei so einem Wetter schlafen? Und in so einer Haltung? Sie musste wirklich sehr müde sein. Armes Mädchen. Gewiss war das auch der Grund, warum sie derzeit so unerträglich war. Sie war mit ihren körperlichen Kräften am Ende. Der kurze Aufenthalt in Ritvak war nicht besonders erholsam gewesen. Nahrung besorgen, frische Kleider, Decken, von einem Handwerksladen in den nächsten hetzen, kurzer Aufenthalt in einem Wirtshaus und dann weiter. Nein, dabei konnte man sich natürlich nicht erholen, nicht von dieser halsbrecherischen Flucht. Es war nicht ihre Schuld, dass sie sich so heftig stritten. Es war wieder einmal seine Schuld, Mareks. Oh, wie er diesen Kerl hasste.
Nun lief doch ein Zittern durch Leons Körper, doch es wurde dieses Mal nicht von der Kälte, sondern von unterdrückter Wut hervorgerufen. Er atmete tief durch. Das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um sich aufzuregen, sich von seinen Mordfantasien ablenken zu lassen. Sie machten ihn meist eher noch aggressiver, als dass sie ihn beruhigten und er wollte nicht, dass Jenna später wieder unter seinen Stimmungsschwankungen zu leiden hatte. Er sah erneut in die Dunkelheit des Waldes und musste feststellen, dass es nicht mehr ganz so düster war wie zuvor. Die Wolkendecke war aufgerissen und am Nachthimmel zeigten sich die ersten funkelnden Sterne. Der Regen zog sich langsam zurück und ließ neue Hoffnung in Leon aufflackern. Wenn das Wetter sich besserte, konnten sie den Weg nach Vaylacia endlich fortsetzen. Und wenn sie erst dort waren und seinen Freund aufgesucht hatten, dann sah vielleicht alles schon viel besser aus.
Er würde Jenna noch eine Weile schlafen lassen, doch dann mussten sie sich unbedingt wieder auf den Weg machen. Marek schlief bestimmt nicht.
„Jenna?“ Der Klang dieser Stimme ließ Jenna wohlig erschauern. Ihr Herz zog sich vor Freude zusammen und ihr Atem stockte, während sie sich langsam umdrehte. Ganz langsam, aus
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