Falaysia - Fremde Welt - Band III: Piladoma (German Edition)
aufgeben – das war doch auch eine ihrer Devisen, oder?
Sie machte ein paar Schritte darauf zu und ließ ihren Blick ganz langsam über den Kamin gleiten, inspizierte jeden Stein. Demeon hatte ihn auf jeden Fall benutzt. Das war an den verkohlten Holzresten zu erkennen, die immer noch auf der Feuerstelle lagen. Also war der Kamin zumindest keine Attrappe, was jedoch nicht hieß, dass er nicht auch als Versteck dienen konnte. Sie trat noch näher heran und begann die rötlichen Steine der Außenwand abzutasten. Bedauerlicherweise saßen sie alle fest und auch als sie die Abzugsklappe bewegte geschah nichts Ungewöhnliches. Verdammter Mist!
Aber vielleicht gab es ja ein Versteck im Kamin. Sie ging in die Hocke, lehnte sich ein wenig vor und versuchte nach oben zu spähen. Viel sehen konnte sie noch nicht. Sie musste eventuell ein Stück weit hineinkriechen – zumindest mit dem Oberkörper. Herrje! All dieser Dreck … doch hatte sie keine andere Wahl. Hände konnte man waschen.
Sie bekam einen kleinen Schrecken, als der Boden des Kamins, auf den sie sich stützte, ein wenig wackelte und bewegte sich wieder zurück. Dann hielt sie inne, starrte ungläubig auf den schwarzen Handabdruck, den sie zwischen den Kohleüberresten hinterlassen hatte. War es möglich…? Sie beugte sich vor und schob die verkohlten Holzreste beiseite. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung. Auf dem Grund zeichneten sich ganz deutlich Rillen ab, die Rillen einer versteckten Steinabdeckung und da, in der Mitte, befand sich ein kleiner Metallring, an dem man diese anheben konnte.
Melinas Herz begann schneller zu schlagen. Sie packte den Ring und zog kräftig. Die Platte war schwer, jedoch nicht so sehr, dass sie sie nicht anheben und zur Seite legen konnte. In dem Hohlraum darunter befand sich eine feuerfeste Schatulle, die sie rasch herausholte, nachdem sie sich die Finger gründlich an ihrer Hose abgewischt hatte, und vor sich auf den Boden stellte. Sie besaß kein Schloss. Demeon hatte vermutlich geglaubt, dass sein Versteck nicht zu entdecken war und sie musste zugeben, dass sie ihn verstehen konnte. Wer würde schon darauf kommen dort zu suchen? Sie war auch nur zufällig auf das Versteck gestoßen. Das Glück war ihr hold gewesen – sonst wäre sie ziemlich enttäuscht und ohne neue Informationen zurück nach Hause gekehrt.
Melinas Finger zitterten etwas, als sie den Deckel der Schatulle anhob. Sie war furchtbar aufgeregt, vermutete sie doch, dass ihr Fund sie ein ganzes Stück weiterbringen würde. Es lagen eine Menge Sachen in der Kiste: Dokumente, Fotos, Videokassetten und obenauf ein paar Pässe. Melina nahm einen davon in die Hand und öffnete ihn. Es war Demeons Gesicht, das ihr entgegenblickte. George Stinton stand neben dem Foto. Melina runzelte die Stirn und nahm den nächsten Pass heraus. Wieder Demeon. Dieses Mal hieß er Richard Parker. Was zur Hölle …
Sie nahm die restlichen Pässe heraus und öffnete sie, einen nach dem anderen. Sie zeigten immer wieder Demeon mit den unterschiedlichsten Namen – unter anderem auch Simon Spencer. Nur einer zeigte ein anderes Gesicht: das Gesicht des Jungen. Das Reisedokument wies ihn als Jack Spencer aus, geboren am 04.11.1979. Melina war sich mit einem Mal absolut sicher, dass dieser Name nicht sein wahrhaftiger war, das keine der Angaben der Wahrheit entsprachen. Allerdings musste das Alter des Jungen ungefähr hinhauen und er musste jetzt Mitte dreißig sein. Demeon hatte diesen Pass für ihn anfertigen lassen, um … ja, um was genau zu tun? Ihn zu verstecken und zu beschützen? Oder gab es einen ganz anderen, weniger rührenden Grund für diesen Aufwand? Einen, der eher zu Demeons Charakter passte?
Melina legte die Pässe beiseite und nahm den Stapel Dokumente heraus. Weitere gefälschte Papiere. Geburtsurkunde, Impfpass … einen Lebenslauf … Für wen hatte er denn den geschrieben? Für sich selbst, um nicht zu vergessen, welche Lebensgeschichte er sich für sich und seinen ‚Sohn‘ ausgedacht hatte? Wahrscheinlich. Bis auf den Tod der Mutter und Ehefrau enthielt die Geschichte keine Besonderheiten. Sie war gewöhnlich, uninteressant. Physikstudium, Heirat, Geburt des Kindes … ein paar Wohnortswechsel …
Melina legte das Dokument ab und erstarrte. Sie blickte nun auf ein Papier, auf dessen oberen Rand ein Zeichen zu finden war, das sie schon einmal gesehen hatte – und zwar in den Zeichnungen ihrer Mutter: Ein Kreis, der sich spiegelnde geometrische Linien und Formen
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